Smart Farming mit 5G: 4 Praxisbeispiele

Der Einsatz von IoT-Sensoren in der Landwirtschaft ist nichts Neues. In Europa entwickelt sich die Start-Up-Szene im Bereich der Lebensmittel- und Agrarinnovation rasant. Bewässerung steuern, Bodenparameter messen, Pflanzen und Vieh beobachten – das alles ist mit IoT möglich. Aber es geht noch mehr. Wenn Sie zusätzlich KI-Algorithmen und Robotik nutzen, können Sie Probleme auf dem Hof nicht nur erkennen, sondern auch lösen. Damit das funktioniert, muss das ganze System stabil sein und in Echtzeit laufen. Und hier kommt 5G ins Spiel.

Bis 2050 soll Europa klimaneutral werden. Das ist das erklärte Ziel der EU-Kommission. Die Maßnahmen dafür hat die EU-Kommission im Green Deal verabschiedet und sie stellt rund eine Billion Euro zur Verfügung, um dieses Ziel zu erreichen. Neben erneuerbaren Energien und nachhaltiger Logistik sind die industrielle Digitalisierung und der 5G-Mobilfunk die Felder, in die investiert werden soll, so Ursula von der Leyen. Der Übergang zu 5G in der Landwirtschaft ist also nur eine Frage der Zeit.

Wie groß das Potenzial von 5G für die Landwirtschaft ist und wo Pioniere bereits auf Smart Farming, IoT und 5G setzen, stellen wir Ihnen in diesem Artikel vor.

Warum 5G Farming? Reicht LTE nicht aus?

Nehmen wir an, ein Landwirt besitzt 30.000 Kühe und möchte wissen, welche von ihnen bald kalben werden. Diese Information kann man leicht über spezielle Sensoren ermitteln, die die Kühe tragen. Verfügt der Landwirt über eine 3G- oder eine 4G-Verbindung, werden die Sensordaten des gesamten Betriebs bis zum Ende des Tages auf einen Server geladen, und der Landwirt kann sie dann abrufen. Damit hat er leicht Zugriff auf die Information, aber erst mit Zeitverzögerung. Im Gegensatz dazu kann 5G eine größere Anzahl von vernetzten landwirtschaftlichen IoT-Geräten in Echtzeit unterstützen. So erhält der Landwirt die wichtigen Informationen über jede Kuh unmittelbar.

Mit einem Netz, das Hunderte oder Tausende von IoT-Verbindungen ohne Gefahr einer Überlastung bewältigen kann, könnten die Sensordaten in Echtzeit genutzt werden.

Mike Katz, Executive VP von T-Mobile für Forbes

5G ist nicht nur leistungsfähiger, der Standard ist auch flexibler als LTE. Er kann sich besser an die vielfältigen Anforderungen der intelligenten IoT-Bauernhöfe anpassen. Einer der Hauptvorteile ist der 5G-New-Radio-Standard. Diese Luftschnittstelle folgte auf den 4G-Standard des LTE-Netzes. Er kombiniert Produktivität und Energieeffizienz. Damit sind eine höhere Bandbreite und eine zuverlässigere Verbindung gesichert. So können die Sensoren beispielsweise ohne Unterbrechungen HD-Videos von Drohnen übertragen, die über Felder fliegen.

Der zweite Vorteil gegenüber LTE ist ein neuer inaktiver Modus, der es Geräten ermöglicht, sich nach einer Pause schneller wieder zu verbinden. In diesem Modus ist das Gerät reaktionsschneller und verbraucht weniger Ressourcen, um seine Arbeit wieder aufzunehmen. Von Vorteil ist das zum Beispiel, um schnell zu erkennen, wenn ein Tier einen bestimmten Bereich verlassen hat.

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Werfen wir einen Blick auf vier Beispiele für Smart Farming, die zeigen, wie 5G die Landwirtschaft voranbringt.

Use Case 1. Monitoring von Ernten 

In der Landwirtschaft fallen jährlich 1 Milliarde Tonnen Abfälle an. Mit 5G können Landwirte ihre Ressourcen besser verwalten und Ausschuss reduzieren. IoT-Sensoren für die Landwirtschaft an Pflanzen, im Boden oder auf autonomen Drohnen sammeln wertvolle Daten. Sie helfen dabei, die genaue Menge an Saatgut, Dünger, Wasser und Pestiziden zu bestimmen. Der Landwirt hat so alle wichtigen Daten im Blick und weiß genau, wann er eingreifen muss. Diese Art der autonomen Echtzeit-Überwachung ist eins der grundlegenden Merkmale von Smart Farming.

Beispiel aus der Praxis: Pflanzenüberwachung per Drohne 

AeroFarms ist ein Unternehmen für vertikale Landwirtschaft. Es betreibt vollständig vernetzte, intelligente vertikale Farmen, auf denen das ganze Jahr über Pflanzen angebaut werden. Seit seiner Gründung setzt AeroFarms auf Smart Farming mit IoT-Lösungen. Cargill Cocoa Europe setzte zum Beispiel auf eine Kooperation mit AeroFarms, um die Kakaoproduktion in vertikale Indoor-Farmen zu verlagern und so auf die wachsende Nachfrage reagieren zu können. Zu den jüngsten Plänen von AeroFarms zählen die Skalierung und die Ausweitung der Unternehmensaktivität auf neue Regionen, darunter Danville, Virginia und Abu Dhabi, VAE.

Um neue Gebiete zu erschließen, kooperiert das Unternehmen mit Nokia Bells Lab, einem Anbieter von 5G-Technologie. Dadurch konnte AeroFarms Drohnen und KI-Algorithmen einsetzen, um seine Ernten in Echtzeit zu beobachten. Drohnen erkunden vertikale Farmen und machen detaillierte Fotos von jeder Pflanze. Diese Daten werden dann über eine 5G-Verbindung zur Cloud-Verarbeitung gesendet.

Wenn ich die Drohnen beobachte, wie sie autonom unsere Pflanzen abbilden, bin ich überwältigt davon, wie sie uns helfen, die bestmöglichen Pflanzen anzubauen. 

David Rosenberg, CEO von AeroFarms

Um die hochauflösenden Bilder zu sortieren, setzt das Unternehmen Computer Vision ein. Es ist in der Lage, Blattgröße, Stiellänge, Färbung, Krümmung, Fleckung und Risse der Pflanzen zu analysieren. Wenn der ML-Algorithmus ein Problem erkennt, wird der Mitarbeiter des Unternehmens alarmiert.

Das 5G-Upgrade half AeroFarms, einen neuen Schritt in Richtung digitale Transformation zu machen. Im Vergleich zur traditionellen Landwirtschaft ist ihre Plattform viel effektiver und nachhaltiger. Jährlich bietet sie eine bis zu 390-mal höhere Produktivität pro Quadratmeter. Gleichzeitig verbraucht sie bis zu 95 % weniger Wasser und kommt ohne Pestizide aus. Ihr hochmodernes IoT-Farming-Ökosystem trägt dazu bei, mehr Ernten zu produzieren und gleichzeitig menschliche und natürliche Ressourcen in ihren Betrieben zu sparen.

Vorteile der Umstellung auf 5G Farming 

  • 390-mal höhere Produktivität im Vergleich zur traditionellen Landwirtschaft
  • Senkung des Wasserverbrauchs um bis zu 95 %
  • Skalierung des Smart Farming IoT-Systems auf alle vertikalen Farmen des Unternehmens, einschließlich neuer Gebiete

Use Case 2. Unkrautbekämpfung auf dem Feld 

Unkraut und Nutzpflanzen bilden eine natürliche Partnerschaft. Es gibt zwei Möglichkeiten, die sogenannten Durchwüchse loszuwerden: Entweder, man versprüht Pestizide, oder man setzt auf Arbeitskräfte zum Unkrautjäten. Beides hat aber auch Nachteile: Pestizide sind potenziell schädlich für die menschliche Gesundheit und den Boden. Und Arbeitskräfte sind teuer und das Jäten per Hand kostet Zeit.

Mit 5G lässt sich die Unkrautbekämpfung in einem landwirtschaftlichen Betrieb automatisieren. Mit einer 5G-Verbindung können Sie Computer Vision einsetzen, um Unkraut automatisch zu erkennen, und Roboter, die sich um das restliche Pflanzgut kümmern.

Beispiel aus der Praxis: Unkrautvernichtung mit autonomen 5G-Robotern

Agrointelli ist ein dänisches Unternehmen, das autonome Roboter für die Landwirtschaft entwickelt. Diese Roboter werden u. a. zur Bekämpfung von Kartoffeldurchwuchs eingesetzt, der die Zuckerrübenkulturen verdirbt. Kartoffelpflanzen wachsen schneller und verhindern, dass das Sonnenlicht die Zuckerrüben erreicht. Dadurch können die Zuckerrüben nicht genügend Nährstoffe aufnehmen und somit nicht normal wachsen.

Der mit 5G vernetzte Roboter ist mit Kameras und Präzisionssprühgeräten ausgestattet. Er fotografiert Pflanzen und sendet die Fotos an einen cloudbasierten Server. Der ML-Algorithmus vergleicht diese Fotos mit über 6.000 Bildern von Unkraut und Kartoffelpflanzen. Nach der Klassifizierung der einzelnen Bilder sendet der Server diese an den Roboter zurück. Ist die Pflanze eine Kartoffel, besprüht der Roboter sie mit Glyphosat.

Der gesamte Zyklus dauert etwa 250 Millisekunden. Dies ist dank der schnellen 5G-Verbindung auf dem Bauernhof möglich.

5G Farming (DE)

Das manuelle Besprühen von durchwachsenen Kartoffelknollen dauert im Schnitt 20 Stunden pro Hektar und kostet etwa 320-480 EUR. Ein Roboter benötigt etwa drei Stunden für die Bearbeitung eines Hektars, wobei bis zu 95 % der Unkräuter erkannt werden. Die IoT-Lösung von Agrointelli für Smart Farming hilft den Landwirten, den Prozess zu automatisieren und die Kosten zu senken. Und sie hat einen weiteren Vorteil: Bei Bedarf kann sie rund um die Uhr arbeiten.

Vorteile der Umstellung auf 5G Farming 

  • Siebenmal schnellere Verarbeitung von Erntegut
  • Unkrauterkennung ist zu 95 % erfolgreich

Use Case 3. Livestock Management

Immer genau über die Bewegungen und das Verhalten ihrer Tiere Bescheid zu wissen, ist für Landwirte entscheidend. Die Umstellung auf 5G ermöglicht es Landwirten, die Fruchtbarkeit von Kühen zu überwachen. Sensoren an Anhängern und Halsbändern erfassen die Gesundheitsindikatoren von Kühen in Echtzeit und ermitteln, wann sie brünstig sind. Mit einer 5G-Verbindung können Landwirte über eine mobile App sofort Warnungen über die Trächtigkeit und den Geburtstermin von Kühen erhalten.

Beispiel aus der Praxis: Tracking von Kalbungen mit Bewegungssensoren 

MooCall ist ein irisches Agritech-Start-up, das IoT-Geräte für die Landwirtschaft herstellt – vor allem Sensoren für Kühe. Sie helfen den Landwirten, das Problem der hohen Sterblichkeit von Kühen beim Kalben zu lösen.

Das Moocall-Gerät wird am Schwanz einer Kuh befestigt und verfolgt ihre Wehen. Die eingebauten Bewegungssensoren messen spezifische Schwanzbewegungen, und das Gerät alarmiert den Landwirt, wenn die Kuh kurz vor der Geburt steht.

Nach Angaben des Unternehmens sterben im Vereinigten Königreich jedes Jahr rund 110.000 Kälber und 50.000 Kühe beim Abkalben. Mit dem Moocall-Sensor wird die Zahl der Todesfälle um die Hälfte reduziert. Außerdem können die Landwirte bis zu vier Stunden pro Tag und Kuh weniger aufwenden.

Vorteile der Umstellung auf 5G Farming 

  • Moocall-Sensoren reduzieren die Sterblichkeitsrate beim Kalben um bis zu 50%.
  • Jedes Gerät spart vier Arbeitsstunden täglich während der Abkalbesaison

Use Case 4. Insektenzucht

Viele Unternehmen der Agrarindustrie verwenden Sojaprodukte als Tierfutter. Da die Sojaproduktion billig ist, wird ihr Anbau ausgeweitet. Doch wie bei jeder anderen Monokultur kann auch die Ausweitung der Sojaproduktion der Umwelt schaden. In Südamerika beispielsweise sind die Regenwälder in Gefahr, da sie gerodet werden, um Platz für Sojaplantagen zu schaffen.

Eine der Alternativen zu Futterpflanzen sind Insekten. Die Umstellung auf eine insektenbasierte Nahrungsmittelproduktion ist nicht unbedingt umweltschädlich. Smart Farming ist genau das, was man braucht, um Insekten schneller und kostengünstiger zu züchten.

Beispiel aus der Praxis: Heuschrecken für Hühner züchten

SmartBreed ist ein Schweizer Agrar-Startup, das IoT-vernetzte Zuchtboxen herstellt. Es nutzt die IoT-Insektenzucht, um die Umweltauswirkungen des Sojaanbaus zu verringern. Bis 2024 soll der Einsatz von Hühnerfutter auf Sojabasis in der Schweizer Landwirtschaft um 10 % reduziert werden.

Die SmartBreed-Boxen helfen Landwirten, Heuschrecken zu züchten, die als Futter für Hühner dienen. Im Gegensatz zu Soja sind Insekten etwas, das Hühner von Natur aus fressen. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht sind Heuschrecken ein wertvoller Snack. Sie sind fett- und eiweißreich und weisen ein höheres Aminosäureprofil auf. Außerdem bringt die Jagd nach Heuschrecken die Hühner dazu, sich mehr zu bewegen und sie sind beschäftigt. All dies ermöglicht es den Landwirten, mehr gesunde Eier und gesundes Geflügel zu produzieren.

Die Gründer des Unternehmens begannen mit einem Prototyp der Box, in der die Heuschrecken in neun Wochen heranreifen konnten. Dann fügten sie Sensoren hinzu und verwandelten den Prototyp in ein IoT-Farming-Gerät. Die vernetzte Box schafft optimale Aufzuchtbedingungen für Insekten. Sie nutzt Sensoren, um die Aufzucht zu automatisieren, indem sie die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit, die CO2-Werte, das Mikroklima und den Tag-Nacht-Rhythmus überwacht. Dadurch kann die Aufzuchtzeit auf drei Wochen reduziert werden.

Wir arbeiten mit ländlichen Betrieben. Und da wir auf eine stabile Verbindung angewiesen sind, ist 5G eine hervorragende Option.

Christoph Bertschi, SmartBreed Mitbegründer

5G wird SmartBreed helfen, die Zeit, in der die Insekten heranwachsen, auf zwei Wochen zu verkürzen. Es wird ihnen ermöglichen, mithilfe von Bilderkennung die Größe und Farbe der Insekten zu messen. Anschließend wird die KI die Häutungsphasen der Heuschrecken erkennen und die erforderlichen Parameter anpassen. Mit dem 5G-Upgrade können sich die Zuchtboxen also automatisch an das Wachstum der Insekten anpassen.

Vorteile der Umstellung auf 5G Farming 

  • Verkürzung der Wachstumsphase der Heuschrecken um ein Drittel 
  • Verringerung des schädlichen Sojaanbaus
  • Erzeugung gesünderer Eier und Geflügel

Mit weniger mehr produzieren 

Die Landwirtschaft wird in hohem Maße von Umweltfaktoren beeinflusst. Mit dem Klimawandel und dem Bevölkerungswachstum wird der Druck auf die Nahrungsmittelversorgung ständig zunehmen. "Mehr Ertrag mit weniger Anbau erzielen" ist hier die einzige Option. Der Einsatz von Smart-Farming-Technologien auf Basis einer schnellen und stabilen 5G-Konnektivität gibt uns die Chance dazu.

Softeq hat einen 360°-Ansatz für die IoT-Entwicklung. Wir können Sie bei der Implementierung von IoT in der Landwirtschaft mit unserer umfassenden Expertise unterstützen. Das Softeq-Team kann Sie in jeder Phase Ihres Projekts beraten. So erreichen Sie mehr, mit weniger Aufwand.

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