AR & VR in der Medizin: 3 Use Cases und Beispiele aus der Praxis

AR & VR In Healthcare

Die meisten Leute mögen keine medizinischen Behandlungen. Einige haben sogar regelrechte Phobien. Wussten Sie, dass zwei von drei Kindern und einer von vier Erwachsenen Angst vor Spritzen hat? Eine einfache Blutentnahme kann zum Albtraum werden, wenn eine Krankenschwester beim ersten Versuch die Vene nicht trifft. Und das passiert öfter, als man denkt: Bei 40 % aller Blutentnahmen. Aber das muss nicht sein.

Mit den richtigen digitalen Lösungen für das Gesundheitswesen können Ärzte und Pflegekräfte ihren Patienten die Angst nehmen. Die Zauberwörter sind Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR). Wenn Pflegekräfte bei der Blutentnahme AR- und VR-Lösungen einsetzen, treffen sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % die Vene. Wenn ängstliche Patienten das im Vorfeld wüssten, würden sie Kliniken aufsuchen, die diese Technologien einsetzen

Das ist nur ein Beispiel dafür, wie Virtual und Augmented Reality im Gesundheitswesen die medizinische Versorgungen auf das nächste Level bringen. Im Gesundheitswesen gibt es noch viel mehr Bereiche, in denen die beiden Technologien einen echten Mehrwert schaffen. Und besonders Start-ups entwickeln immer ausgefeiltere Lösungen. 

In diesem Artikel stellen wir drei Beispiele für VR und AR im Gesundheitswesen vor und zeigen, wie Krankenhäuser und Patienten von den Technologien profitieren.

Wie funktionieren AR und VR in der Medizin? 

Bevor wir uns damit befassen, wo AR und VR in der Medizin eingesetzt werden, erläutern wir kurz, wie die Technologie funktioniert. AR und VR verbinden die virtuelle und die reale Welt, indem sie die Realität mit digitalen Objekten verbessern. Dabei gibt es grundlegende Unterschiede zwischen beiden Technologien. Je nach Einsatzbereich wird die eine oder die andere verwendet.

VR ermöglicht ein vollständiges Eintauchen in ein virtuelles Umfeld. Um diese virtuelle Welt zu erleben,benötigen Nutzer eine besondere Ausrüstung, zum Beispiel Helme, 3D-Brillen, Headsets oder Handschuhe. So können sie sich in der virtuellen Welt bewegen und mit ihr interagieren.

VR im Gesundheitswesen wird zum Beispiel eingesetzt, um Erkrankungen des Nervensystems zu behandeln oder Angstzustände zu lindern, durch Schärfung des Bewusstseins.

Beispielsweise kann ein Patient, der sich einer Operation am Gehirn unterziehen muss, dank VR im Vorfeld eine virtuelle Reise durch sein Gehirn unternehmen und so verstehen, was auf ihn zukommt. Wie das genau funktioniert? VR-Tools erstellen ein 3D-Modell des Gehirns auf der Grundlage von MRTs, CT-Scans und Angiogrammen. Mit einem VR-Headset und einem Touchscreen kann der Patient dieses Modell aus allen Blickwinkeln betrachten. Auf diese Weise erfährt er mehr über die eigene Krankheit und die bevorstehende Operation. Das schärft sein Bewusstsein und gibt ihm das Vertrauen, dass bei der Operation alles gut gehen wird.

AR hat dagegen nicht ein vollständiges Eintauchen zum Ziel. Die reale Umgebung wird lediglich durch Überlagerung mit digitalen Objekten verbessert. Die Nutzer richten ein mit einer Kamera ausgestattetes Gerät wie ein Smartphone oder ein Tablet auf den Bereich, der sie interessiert, und sehen sofort digitale Elemente über diesem Bereich.

Augmented Reality Anwendungen im Gesundheitswesen können die Genauigkeit von medizinischen Verfahren und Diagnosen erhöhen. 

Nehmen wir noch einmal das Beispiel mit der Venenfindung. AR-Systeme verwenden eine Kombination aus laserbasierten Scannern und Verarbeitungssystemen. Das System scannt die Haut, sieht das darunter liegende Gefäßsystem und projiziert es auf die Hautoberfläche. Dies zeigt den Medizinern genau, wo sich die Venen befinden, und erhöht die Genauigkeit des Einstichs.

Die Einsatzmöglichkeiten von virtueller und erweiterter Realität im Gesundheitswesen nehmen immer weiter zu. Denn die Technologien sind in der Lage, immer komplexere Probleme zu lösen. Sowohl Ärzte als auch Patienten haben die Vorteile von AR und VR bereits schätzen gelernt. 

Auch deswegen prognostizieren Analysten ein schnelles Wachstum des AR- und VR-Marktes im Gesundheitswesen.

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Wie Patienten und Mediziner konkret von AR und VR in der Medizin profitieren, zeigen wir anhand von 3 Praxisbeispielen.

Use Case 1. AR für 3D Body Mapping

Operationen sind immer mit Risiken verbunden. Oft stehen die Chirurgen vor dem Problem, dass sie keine freie Sicht auf die Organe des Patienten haben. MRTs und Röntgenbilder helfen Ärzten bei der Orientierung, aber ein klares Bild ergibt sich oft erst bei der Operation selbst. Die Folge sind manchmal Behandlungsfehler, die den Erholungsprozess beeinträchtigen und im schlimmsten Fall sogar Menschenleben kosten. Für Gesundheitseinrichtungen entstehen dadurch Rechtsstreitigkeiten, Entschädigungszahlungen und ein Verlust der Reputation.

Um das zu vermeiden, entwickeln Tech-Start-ups wie auch große Global Player AR-Tools, die den Körper von Patienten in virtuellen 3D-Karten darstellen. Zunächst untersucht die Lösung MRT-Scans. Dann verarbeitet sie die aus den Scans gewonnenen Informationen und stellt diese in 3D-Körperschichten dar. Wenn ein Arzt nun ein mit AR ausgestattetes Gerät auf den Patienten richtet, sieht er  sozusagen unter die Hautoberfläche. 

Arzt nun ein mit AR ausgestattetes Gerät auf den Patienten richtet, sieht er  sozusagen unter die Hautoberfläche.

So kann er selbst den kleinsten 3D-Körperabschnitt mitsamt Organen, Venen, Arterien und Knochen untersuchen. Die AR-Tools können außerdem Tumore, Entzündungsherde und andere behandlungsbedürftige Stellen erkennen. Diese Instrumente ermöglichen präzise Operationen und helfen Ärzten, bessere Entscheidungen zu treffen.

Praxisbeispiel: AR bei Operationen

Als eines der ersten weltweit setzte ein Chirurgenteam des Imperial College London am St. Mary’s Hospital die HoloLens von Microsoft bei Operationen an Blutgefäßen, Knochen und Muskelgewebe ein. 

Nach Unfällen haben Patienten oft Gewebeschäden oder offene Wunden, die eine rekonstruktive Operation erfordern, bei der Faszienlappen von einer anderen Stelle des Körpers entnommen werden, um die Wunde zu schließen. Diese Gewebelappen umfassen Haut und Blutgefäße. Damit die Wunde heilen kann, ist es wichtig, die Blutgefäße des neuen Gewebes mit denen an der Wunde zu verbinden, damit das neue Gewebe ausreichend durchblutet und so am Leben erhalten bleibt.

Augmented Reality erleichtert es den Chirurgen, die Blutgefäße zu finden und zu verbinden. Während der Operation tragen die Chirurgen die HoloLens. Damit werden Scan-Bilder über den Patienten gelegt und die Blutgefäße, die eigentlich unter der Haut liegen, werden für den Chirurgen sichtbar.

Vorteile:

  • Medizinische Behandlungen und Operationen werden sicherer und genauer durch präzise Körperkarten.
  • Ärzte haben mithilfe von 3D-Modellen einen besseren Blick auf die inneren Organe des Patienten. 
  • Komplizierte medizinische Verfahren werden optimiert, um die bestmögliche Behandlung für Patienten zu finden.

Use Case 2. VR-Therapie bei psychischen Erkrankungen

Die Zahlen sind alarmierend: In Deutschland sind pro Jahr etwa 27,8 %, d. h. rund 18 Millionen Erwachsene, von einer psychischen Erkrankung betroffen. Nur 18,9 % davon begeben sich aber in Behandlung. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits fehlen Behandlungsmöglichkeiten. Andererseits scheuen sich Patienten davor, einen Spezialisten aufzusuchen, aus Angst vor der Diagnose. Auch die Angst, von Medikamenten abhängig zu werden, hält viele davon ab, sich Hilfe zu suchen.

Der Einsatz von VR kann psychische Erkrankungen lindern und eine Medikamentengabe unnötig machen. Die Behandlung psychischer Erkrankungen mit VR hat sich als effektiv erwiesen und hat für Patienten noch einen weiteren Vorteil: Sie müssen oft nicht mal ihr Haus verlassen.

Die Technologie macht Meditation und Atemübungen in immersiven Umgebungen möglich. Und sie gibt den Menschen die Möglichkeit, sich ihren Ängsten zu stellen. Wenn jemand zum Beispiel eine Spinnenphobie oder Angst vor großen Wellen hat, kann er seine Ängste in einer virtuellen Umgebung überwinden. In der virtuellen Welt kann er auf großen Wellen reiten oder mit Spinnen spielen. Damit wird der eigentlich angsteinflößenden Situation ein positives Element (Spaß) hinzugefügt und gleichzeitig werden Stressmanagement- und Coping-Strategien vermittelt. Dieses neue Wissen können die Patienten später auf die reale Welt übertragen.

Praxisbeispiel: VR zur Behandlung sozialer Phobien 

Das Start-up neomento GmbH entwickelt realitätsnahe VR-Szenarien zur Behandlung sozialer Phobien. 

Einen Vortrag halten, öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder eine andere Person nach dem Weg fragen: Bei Menschen mit sozialen Phobien lösen diese Situationen Stress und Ängste aus. Oft entwickeln sie ein Vermeidungsverhalten, was sich negativ auf den Alltag oder auch den beruflichen Erfolg auswirkt. Eine mögliche Therapieform liegt, wie bei anderen Phobien, darin, sich der Situation auszusetzen (Expositionstherapie). Dafür braucht es ein sicheres Umfeld, z. B. mit Rollenspielen. Solche Therapien sind aber sehr aufwändig, sodass Menschen mit einer sozialen Phobie oft lange auf einen Therapieplatz warten müssen. 

Mit VR können solche Szenarien relativ leicht simuliert und an den jeweiligen Bedarf des Patienten angepasst werden. Die Lösung von neomento bietet eine Reihe verschiedener Szenarien, die die Therapeuten für die Therapie auswählen können. In den VR-Szenarien lernen die Patienten mit für sie relevanten Situationen umzugehen, immer unterstützt durch die therapeutische Fachkraft. Diese Vorgehensweise spart Aufwand, Personal und Kosten. In den Leitlinien zur Behandlung von Angststörungen wird die VR-Therapie mittlerweile empfohlen.

Vorteile:

  • Der Therapieerfolg steigt durch zielgerichtete und personalisierte Behandlungsmöglichkeiten.
  • Die Therapie hilft, den Aufwand und die Kosten zu reduzieren und das Personal zu entlasten.
  • Auf den Einsatz von Medikamenten kann verzichtet werden
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Use Case 3. VR in der Schmerztherapie

Schmerzmittel sind ein wichtiger Bestandteil der Schmerztherapie. Sie sind aber nicht frei von Nebenwirkungen und die Abhängigkeit ist ein großes Problem.  In Deutschland sind ca. 1,6 Millionen Menschen abhängig von Schmerzmitteln.

In der Schmerztherapie bietet VR eine Alternative zu traditionellen Therapieformen. 

Der Einsatz von Schmerzmitteln kann zum Beispiel verringert werden, was letztlich Leben retten kann. VR setzt dabei auf Ablenkung: Um Schmerzen zu lindern, bieten VR-Apps verschiedene interaktive Spiele an,  die die kognitive Aufmerksamkeit umlenken. Mit anderen Worten: Mit VR tauchen die Patienten in eine virtuelle Umgebung ein, zum Beispiel ein interaktives Spiel oder eine realistische Umgebung, die ihre Entspannung fördert. So wird der Fokus des Gehirns vom Schmerz abgelenkt. Der Schmerz lässt hierdurch nach, und die Situation der Patienten verbessert sich.

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Praxisbeispiel: Schmerzen lindern mit VR

Schmerzhafte Erlebnisse können besonders bei Kindern schwere Traumata hervorrufen. Daher versuchen Kliniken zum Beispiel, schmerzhafte Behandlungen, wie den Verbandswechsel bei Brandverletzungen, so schmerzfrei wie möglich zu gestalten. Das EVK Hamm setzte bei der Behandlung von schwerbrandverletzten Kindern in einem Pilotprojekt auf VR und Gaming.

Ziel war es, die Kinder so weit in die virtuelle Welt eintauchen zu lassen, dass sie die Schmerzen beim Verbandswechsel nicht mehr wahrnehmen. Im Projekt wurde die Stand-alone-VR-Brille Oculos Go verwendet, die den Kindern maximale Bewegungsfreiheit bietet und leicht zu reinigen ist. Beim Spiel fiel die Wahl auf Smash it, bei dem Schneebälle auf Pyramiden geworfen werden. 

Die Ergebnisse des Pilotprojekts überzeugten: Die kleinen Patienten hatten deutlich weniger Schmerzen und benötigten weniger Schmerzmittel. Einige Kinder empfanden die Behandlung sogar als positiv.

Vorteile:

  • Der Einsatz von Schmerzmitteln und das damit verbundene Risiko einer Abhängigkeit kann reduziert werden.
  • Menschen mit Unverträglichkeiten gegen Schmerzmittel können mit VR trotzdem schmerzfrei behandelt werden.
  • Die Behandlungen werden weniger mit Angst und Schmerzen verbunden, sondern mit positiven Assoziationen verknüpft. Dies kann u.a. Traumata bei Kindern vorbeugen.

Abschließend

Die hier beschriebenen Beispiele zeigen deutlich: AR- und VR-Lösungen im Gesundheitswesen sind auf dem Vormarsch. Die Technologie wird immer ausgereifter und AR und VR in der Medizin können heute immer komplexere Aufgaben lösen. Früher wurden die Technologien vor allem für die medizinische Ausbildung und Diagnostik eingesetzt, doch heute haben viele Ärzte und Pflegekräfte das Potenzial der Technologien im klinischen Alltag erkannt. Bei u.a. Operationen, der Behandlung psychischer Erkrankungen oder der Schmerztherapie sind sie eine große Hilfe.

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