Augmented Reality in der Energie- und Versorgungswirtschaft: Einsatzbereiche und Praxisbeispiele

Augmented reality in energy and utilities

Versorgungsunternehmen müssen viele Aufgaben erledigen. Die Ingenieure und Installateure stehen dabei oft unter Druck. Ein Grund dafür sind auch veraltete Arbeitsweisen: Zum Beispiel schicken die Unternehmen ihre Techniker mit Handbüchern aus Papier los, die Schritt-für-Schritt-Anleitungen enthalten, wenn es darum geht, auf der Baustelle Kabel zu verlegen. Im Durchschnitt brauchen die Arbeiter dafür eine ganze Arbeitswoche.

GE Renewable Energy wollte wissen, ob es auch schneller geht und startete ein Experiment. Sie statteten die Hälfte ihrer Ingenieure mit intelligenten Augmented-Reality-Brillen aus. Mit deren Hilfe sollten sie neue Leitungen in Windkraftanlagen verlegen. Die andere Hälfte konnte nur auf analoge Handbücher zurückgreifen. Die Gruppe mit der AR-Brille erledigte die Aufgabe doppelt so schnell, war präziser und machte weniger Fehler.

In diesem Artikel zeigen wir, wie AR für Unternehmen solche Verbesserungen möglich macht. Erfahren Sie, wie diese Technologie funktioniert, und lernen Sie drei reale Anwendungsfälle von Augmented Reality in der Energie- und Versorgungsbranche kennen.

Wie funktioniert AR in der Energie- und Versorgungsbranche?

AR erweitert die reale Umgebung um computergenerierte digitale Objekte. Dazu gehören Töne, Videos und Grafiken. Um sie zu sehen, benötigen die Nutzer ein Gerät mit Kamera, wie ein Smartphone, ein Tablet oder eine AR-Brille. Wenn der Nutzer das Gerät auf ein reales Objekt richtet, überlagert die Technologie das reale Objekt mit digitalen Elementen. 

Auf diese Weise kann der Nutzer Objekte sehen und manipulieren, die eigentlich gar nicht da sind.

Um besser zu verstehen, wie AR funktioniert, schauen wir uns Utility Mapping an. Beim Utility Mapping wird eine detaillierte Karte von Rohren, Leitungen und Kabeln unter der Erde an einem bestimmten Standort erstellt. Mithilfe einer so umfassenden Karte haben Ingenieure den Überblick über das Leitungssystem und können vermeiden, dass beim Graben Leitungen beschädigt werden.

Augmented Reality ist für Versorgungsbetriebe bei der Kartierung eine große Hilfe. So funktioniert's:

  1. Daten erfassen. Daten von Versorgungsleitungen werden durch Vermessungen vor Ort, Satelliten, GPS-basierte Systeme oder mit LiDAR ausgestattete Drohnen erfasst.
  2. Daten hochladen. Anschließend werden die Daten in ein geografisches Informationssystem (GIS) hochgeladen. Das GIS verarbeitet und speichert die Daten und verknüpft sie mit einer Karte.
  3. AR in die Karte integrieren. Nun werden die vorhandenen Versorgungseinrichtungen als 3D-Objekte angezeigt. Dadurch erhalten die Arbeiter vor Ort Daten über die genaue Lage der Rohre und Leitungen.
  4. Über ein Tablet oder Smartphone auf die Daten zugreifen. Die Nutzer müssen nur das Display auf den Boden richten und sehen dann, wo Leitungen sind oder wo sie gefahrlos graben können. Mitarbeiter im Außendienst können alle notwendigen Informationen über die Lage von Versorgungsleitungen auf den Karten finden, anstatt sie auf Papierkarten zu suchen, die veraltet oder ungenau sein können.

Augmented Reality in der Kartierung für den Versorgungssektor hilft also, Zeit zu sparen und kostspielige Fehler und Verzögerungen zu vermeiden. Beispielsweise bietet die frox IT Fabrik mit Sitz in Dortmund und München eine AR-Lösung, die GNSS und Sensoren nutzt. Die FX Augmented Reality App zeigt auf dem Kamerabild Ihres Smartphones oder Tablets Grundstücksgrenzen, Kanäle, unterirdische Leitungen, Bohrpunkte, Hydranten usw.. Informationen, die bisher nur in Papierform vorlagen.

Diese Vorteile machen die Technologie für Versorgungsunternehmen attraktiv, und sie setzen AR jetzt aktiv ein. Experten sagen für den globalen AR-Markt im Energiesektor ein starkes Wachstum voraus. Im Jahr 2023 wird die Branche voraussichtlich ein Fünftel an den weltweit eingesetzten AR-Hardware-Lösungen ausmachen.

AR-in-Utilities(DE)

Nun stellen wir die Einsatzmöglichkeiten und Vorteile von Augmented Reality in der Energie- und Versorgungsbranche anhand von Praxisbeispielen vor.

Use Case 1. Mit AR Mitarbeiter effizienter schulen  

Manager von Versorgungsunternehmen sind besorgt: Aufgrund des Fachkräftemangels wird es bald keine Fachleute mehr geben, die man einstellen kann. Neueinsteigern fehlt oft die entsprechende Ausbildung und das technische Wissen. Der Personalmangel führt zu finanziellen Verlusten, verringert die Effizienz und behindert das Unternehmenswachstum. Um dem entgegenzuwirken, suchen die Unternehmen nach Möglichkeiten, ihre Ausbildungsprozesse zu verbessern.

Die Unternehmen halten ihre Schulungen in der Regel offline ab. Das bedeutet, dass erfahrene Ingenieure die Trainings mit den Auszubildenden vor Ort durchführen. Dies wird jedoch aufgrund des Personalmangels immer schwieriger. Solche Sitzungen nehmen Zeit in Anspruch und lenken die Fachleute von ihren eigentlichen Aufgaben ab.

AR für Schulungen kann den Lernprozess verbessern. Die Technologie ermöglicht eine immersive Schulung in Echtzeit, bei der die ausbildenden Ingenieure nicht anwesend sein müssen. Angehende Ingenieure können vorgefertigte AR-Programme zum Selbststudium nutzen. 

So können AR-basierte Schulungsplattformen den Ingenieuren beispielsweise die Teile und den Aufbau eines Geräts zeigen und erklären, wie man das Gerät benutzt.

Die Technologie ist auch nützlich, wenn Berufsanfänger Probleme bei der Arbeit haben und erfahrene Kollegen hinzugezogen werden müssen. So können Nachwuchskräfte beispielsweise AR-Headsets verwenden, um sich von erfahrenen Kollegen aus der Ferne anleiten zu lassen. Mit AR sehen die erfahrenen Ingenieure genau das,  was ihre jüngeren Kollegen gerade sehen. Sie können ihnen dann in Echtzeit helfen, ein technisches Problem zu lösen. 

Beispiel aus der Praxis: Interaktives Training für neue Mitarbeiter

Das in der EU ansässige Technologieunternehmen NSFLOW bietet eine AR-Lösung zur Beschleunigung von Onboarding und Schulung an. Sie besteht aus zwei Modulen: Digital Workflows und Remote Support. Das erste Modul hilft bei der Erstellung von interaktiven Schulungen, Anweisungen und Serviceverfahren. Das zweite Modul ist dafür zuständig, Ihre Techniker im Außendienst mit Experten aus der Ferne zu verbinden.

DTE Energy nutzt die Plattform, um interaktive Schulungen abzuhalten und neue Mitarbeiter anzuleiten. Neue Mitarbeiter können die Plattform zum Selbststudium nutzen. AR-Schulungen dieser Art finden ohne einen Ausbilder statt.

Neue Mitarbeiter können auch Experten mittels Echtzeitanrufen kontaktieren, die weit entfernt sind. Die Experten sehen die Bilder der Kameras in der AR-Brille des neuen Mitarbeiters. Dann kann der Experte den Auszubildenden anleiten und ihm technische Ratschläge geben. Das macht alle Onboarding- und Schulungskurse einfacher und bequemer. Die Fachleute wiederum müssen nicht mehr so viel Zeit mit Reisen und Offline-Meetings verbringen. Stattdessen können sie sich auf ihre eigenen Aufgaben konzentrieren.

Vorteile:

  • Günstigeres Onboarding und Schulung. Sobald ein Kurs erstellt wurde, können Manager ihn für alle Mitarbeiter freigeben. Es fallen keine zusätzlichen Kosten für Tutoren und Schulungsmaterial an.
  • Physische Anwesenheit eines Ausbilders ist nicht erforderlich. Dank AR können praktisch alle Kurse stattfinden, ohne dass ein Lehrer tatsächlich anwesend ist.
  • Geringerer Zeitaufwand. Die Unterstützung aus der Ferne mittels AR spart den Experten viel Zeit, da sie weniger reisen und mehrere Standorte an einem Tag bedienen können. Das bedeutet auch, dass die weniger erfahrenen Mitarbeiter nicht auf sie warten müssen und hilft so, Arbeitsunterbrechungen zu vermeiden.
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Use Case 2. Mit AR Anlagen schneller warten

AR-Lösungen sind ein leistungsfähiges Instrument für die vorausschauende Wartung und Fernunterstützung über Smartphones, Tablets oder tragbare Geräte wie Smart Glasses. Daher spielt AR für die Wartung und den Betrieb eine wesentliche Rolle und bewirkt hier viele Verbesserungen.

Einige Beispiele dafür, wie AR bei der Wartung von Anlagen helfen kann:

  • Anlagen, die gewartet werden müssen, werden schneller erkannt. AR hilft dabei, ein 3D-Modell über eine Anlage zu legen. Mithilfe einer AR-Brille können die Nutzer sehen, wie die Anlage funktionieren sollte und was gewartet werden muss. 
  • Direkter Zugriff auf Expertenwissen. Mit AR können Techniker auf ihren Tablets auf alle Serviceunterlagen und Handbücher zugreifen.
  • Verbindung von Mitarbeitern im Außendienst mit Remote-Experten. Mithilfe von AR können Techniker vor Ort Audio- und Videoanrufe mit Fachleuten an anderen Standorten vereinbaren. Das bedeutet, dass sie, die Anleitung, die sie benötigen, sofort erhalten und jede Aufgabe ohne Zeitverlust lösen können.

Beispiel aus der Praxis: Effizientere Wartung mit AR-Brille

Wien Energie testet den Einsatz von Datenbrillen wie der HoloLens. Diese Technologie wird die Wartung von Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen grundlegend verändern. Wenn in einem Kraftwerk die Turbine ausfällt, muss man schnell handeln, denn Wien Energie muss für jede Minute, in der eine Turbine nicht läuft, für Ersatzstrom oder Ersatzwärme sorgen. Und das kann in kürzester Zeit sehr teuer werden. Augmented-Reality-Lösungen können die Wartungsarbeiten beschleunigen. Im Rahmen der Innovation Challenge entwickelte Wien Energie gemeinsam mit dem Startup ViewAR konkrete Anwendungen mit der Datenbrille HoloLens.

Vorteile:

  • Schnellere Wartung der Anlagen. Mit AR können Unternehmen die Wartungszeit bis auf die Hälfte reduzieren.
  • Weniger menschliche Fehler. Die Technologie ermöglicht es Ingenieuren, genaue Berechnungen durchzuführen und Ergebnisse vorherzusagen. 
  • Digitale Dokumentation. Die Informationen über die durchgeführten Arbeitsschritte stehen bei späteren Arbeiten als wertvolle Wissens- und Erfahrungsdatenbank zur Verfügung.

Use Case 3. Mit AR die Mitarbeitergesundheit und -sicherheit verbessern

Spezialisten im Energiesektor arbeiten unter extremen Bedingungen. Zum einen bedienen sie gefährliche und hochriskante Geräte und Werkzeuge. Sie laufen dabei Gefahr, zwischen beweglichen Teilen eingequetscht, von einer schweren Maschine überrollt oder durch schädliche Abgase vergiftet zu werden. Zum anderen arbeiten sie an schwer zugänglichen Stellen, oft in Höhenlagen. Dadurch erhöht sich das Risiko, sich bei einem Sturz zu verletzen, insbesondere für Arbeitnehmer mit wenig oder gar keiner Erfahrung.

AR hilft Energieunternehmen, diese Risiken zu minimieren. Beispielsweise können Ingenieure mit AR-Headsets defekte Geräte schneller erkennen.

AR überlagert ein 3D-Modell eines Geräts, so dass Spezialisten Probleme in Echtzeit erkennen können. Je schneller das Problem behoben ist, desto geringer ist das Verletzungsrisiko.

AR-Technologie kann auch Gefahrenzonen abbilden. Intelligente Brillen heben Gefahrenstellen hervor und liefern eine detaillierte Beschreibung, so dass Ingenieure riskante Bereiche meiden können. 

AR-Brillen können auch Sicherheitsvorschriften und -richtlinien anzeigen und so die Techniker darüber aufklären, wie sie unter gefährlichen Bedingungen arbeiten müssen. So kommt es zu weniger Unfällen.

Es kann der Fall eintreten, dass Ingenieure dringend Hilfe benötigen, wenn ein Problem sich schnell verschlimmert. AR-Lösungen können es Ingenieuren ermöglichen, per Videoanruf mit qualifizierten Experten Kontakt aufzunehmen. Dieser sofortige Zugang zu Hilfe verringert das Risiko, dass Arbeiter bei der Reparatur von Anlagen Fehler machen. Diese Art von Beratung bedeutet auch, dass weniger Mitarbeiter gefährliche, schwer zugängliche Stellen aufsuchen müssen. Die Unternehmen können die Sicherheit ihrer Mitarbeiter gewährleisten und profitieren zusätzlich durch geringere Ausgaben für Krankengeld und Ersatzpersonal.

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Beispiel aus der Praxis: Mehr Sicherheit für die Arbeiter

Seit 2020 nutzt Siemens Energy AR, um seine Mitarbeiter im Außendienst mit Remote-Experten zu verbinden. Das Unternehmen hatte Schwierigkeiten, seine Anlagen regelmäßig und effizient zu warten und zu überprüfen. Diese Arbeiten müssen in schwer zugänglichen Bereichen durchgeführt werden. Das stellt ein Risiko für die Arbeiter dar. 

Mit AR können Ingenieure von Siemens ihre Industrieanlagen aus der Ferne überprüfen, Fehlerdiagnosen erstellen und warten. Dies beschleunigt die Lösungsfindung und steigert die Produktivität. Und natürlich erhöht es auch die Sicherheit der Mitarbeiter – Siemens Energy konnte mithilfe der AR die Häufigkeit und Anzahl von Unfällen und Verletzungen um 43 % reduzieren.

Vorteile:

  • Mehr Sicherheit. AR bedeutet, dass Arbeitnehmer Aufgaben ausführen können, ohne einer echten Gefahr ausgesetzt zu sein.
  • Weniger Verletzungen. Durch den Einsatz von AR können Unternehmen die Anzahl der Verletzungen deutlich reduzieren, da die Mitarbeiter nicht in schwer zugängliche Bereiche gehen müssen.
  • Kosteneinsparungen. Weniger Verletzungen und weniger Reisen bedeuten, dass die Kosten unter Kontrolle bleiben.

Zusammenfassend

Der Energie- und Versorgungssektor galt als träge bei der Einführung innovativer Technologien. Jahrzehntelang verließ man sich hier auf traditionelle, nicht-digitale Arbeitsmethoden.

Doch jetzt sehen wir, dass immer mehr Unternehmen damit beginnen, AR in ihrem Betrieb einzusetzen. Einige Unternehmen nutzen die Technologie, um ihre Mitarbeiter effizienter zu schulen. Andere, um ihre Geräte und Anlagen kosteneffizienter zu warten. AR kann auch die Mitarbeitersicherheit und -gesundheit verbessern.

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