Die Automobilbranche durchläuft einen massiven digitalen Wandel. Im Jahr 2023 werden weltweit über 76 Millionen verkaufte Fahrzeuge vernetzt sein, d.h. jedes von ihnen wird mit anderen Autos und Systemen über Mobilfunk kommunizieren. Können Sie sich vorstellen, wie anspruchsvoll es in naher Zukunft sein wird, all diese Autos auf dem aktuellen Stand der Technik zu halten? Regelmäßige Over-the-Air-Updates (OTA), die neue Einstellungen, Konfigurationen und sogar neue Dienste enthalten, werden ein wesentlicher Bestandteil der Wartung des gesamten Systems sein. Im Folgenden erfahren Sie, wie das möglich wird.
Die OTA-Technologie ermöglicht Updates von Anwendungen, Diensten und Konfigurationen über das Mobilfunknetz – ohne physischen Kontakt, also over the air. Aus ökonomischer Sicht haben Over-the-Air-Updates den Vorteil, dass IoT-Lösungen länger auf dem Markt bleiben, ohne dass Geräte zurückgerufen werden müssen.
Um die Softwarefunktionalität zu verbessern oder Fehler und Schwachstellen zu beheben, müssen Entwickler lediglich Updates in das Gerätemanagementsystem laden. Diese werden dann per Fernzugriff an alle Geräte gesendet. Neben der Mobilfunkverbindung unterstützt der OTA-Mechanismus mehrere Verbindungsarten, einschließlich Wi-Fi und Breitband.
Ein einzelnes OTA-Update kann die vorhandene Software durch ein neues Paket ersetzen. IoT-Lösungen können zwei Arten von Updates erhalten:
Der Aktualisierungsvorgang selbst ist mit durch den Rollback-Recovery-Algorithmus gesichert. So kann das System bei einem Ausfall oder einer Unterbrechung den vorherigen Zustand wiederherstellen.
Aufgrund ihrer zahlreichen Funktionen müssen vernetzte Autos eine Reihe von Anwendungen unterstützen. Zum Beispiel sind ADAS und autonome Fahrfunktionen von Software abhängig und erfordern regelmäßige SOTA-Upgrades. Außerdem müssen umso mehr elektronische Steuergeräte (ECUs) integriert werden, je mehr bordeigene Systeme ein Auto hat. Die Zahl der Steuergeräte in einem Auto kann mittlerweile die 100 überschreiten, und jedes einzelne erfordert unter anderem systematische FOTA-Updates.
Hinzu kommt ein enormer Bedarf an regelmäßigem Datenaustausch. Es ist schwer vorstellbar, aber fahrzeuginterne Systeme generieren mehr Daten als alle Smartphones und IoT-Geräte von Verbrauchern: insgesamt etwa 258 TB täglich. Dabei handelt es sich vor allem um Daten, die von zahlreichen Sensoren über Fahrtrouten, Geschwindigkeit, Verschleiß von Komponenten etc. generiert werden. Außerdem ermöglichen mehrere Erkennungssensoren wie Kameras, Radar und Ultraschall, dass Autos mit Ampeln, Parkplätzen, Fußgängern und anderen Fahrzeugen kommunizieren.
Hier sind die wichtigsten Arten von Vehicle-to-Everything-Verbindungen, die Datenstreaming auslösen:
Daher müssen Fahrzeuge, die ständig mit externen Systemen verbunden sind, ihre Software aktualisieren, um sicherzustellen, dass die gesamte Kommunikation reibungslos und korrekt verläuft. Software-Updates ermöglichen es den Fahrzeugentwicklern, neue Funktionen hinzuzufügen, Sicherheitslücken zu schließen und aktuelle Standards einzuhalten. OTA-Lösungen helfen ihren Kunden, die fahrzeugbezogene Software zu aktualisieren und zu verwalten, ohne ein Service-Center oder einen Automechaniker aufsuchen zu müssen.
Ohne OTA-Mechanismen in einem hardwaredefinierten System muss man Service-Zentren besuchen, um Telematik-, Diagnose- oder Infotainment-Systeme zu verbessern. Mit Over-the-Air-Updates erreicht man hingegen mehr Effizienz und Komfort. Sie umfassen Sicherheits-Patches, Verbesserungen des Infotainments und Überwachung von wichtigen Funktionen, wie Antriebsstrang und Fahrdynamik. Werfen wir einen Blick auf die Vorteile, die Over-the-Air-Updates den Autoherstellern und ihren Kunden bringen.
Der OTA-Mechanismus ermöglicht es Automobilherstellern, die Fahrzeugsoftware in allen Fahrzeugen kontinuierlich zu pflegen – unabhängig davon, ob sie sich noch im Autohaus befinden oder bereits auf der Straße unterwegs sind – und das alles über eine einzige Schnittstelle. Es eignet sich auch, um Systeme zu aktualisieren, die keine zusätzliche Hardware benötigen, etwa um neue Funktionen und Konfigurationen hinzuzufügen. BMW gehört zu den Automobilherstellern, die Kartenupdates over the air anbieten.
Die Vielfalt der Softwarelösungen im Fahrzeug macht es anfällig für Sicherheitslücken, bösartige Angriffe und Datendiebstahl. Einige sicherheitskritische Systeme wie Beschleunigung, Lenkung und Bremsen sind softwareabhängig, und OTA-Updates können helfen, Sicherheitslücken sofort zu schließen.
Die Zahl der Fahrzeuge, die in den USA aufgrund von Softwareproblemen zurückgerufen wurden, hat sich zwischen 2009 und 2019 mehr als verdreifacht. Zum Beispiel hatte der 2019er Porsche Cayenne innerhalb seines ersten Jahres drei Software-Rückrufe, von denen mehr als 58 Tausend Fahrzeuge betroffen waren.
Hier sind die 5 wichtigsten Gründe für Software-Rückrufe in der Industrie:
OTA verspricht, die Zahl der softwarebedingten Rückrufe zu reduzieren. Dass dem so ist, zeigen aktuelle Beispiele: Tesla war der erste Autohersteller, der 2012 Over-the-Air-Updates über 3G und WLAN für sein Model S anbot. Und als Mercedes-Benz in diesem Jahr 1,3 Millionen Fahrzeuge zurückrief, wurde das Problem mit dem fehlerhaften Notruf-Tracker entweder über einen Händler oder mit einem Over-the-Air-Update behoben. Heute verbessern viele andere OEMs wie BMW, Volvo, Ford und Volkswagen die Fahrzeugfunktionalität, indem sie Software-Updates over the air zur Verfügung stellen.
Die Over-the-Air-Technologie mit ihren optimierten Software-Updates und -Korrekturen senkt die Betriebskosten. Das Beratungsunternehmen IHS Automotive schätzt, dass sich die Gesamtkosteneinsparungen für OEMs durch Over-the-Air-Updates bis 2022 auf 35 Milliarden US-Dollar belaufen werden (im Vergleich zu 2,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015). Insbesondere hilft OTA, das Budget für Rückrufaktionen einzusparen. Laut dem Bericht von Stout Risius Ross sind Softwareprobleme für 15 % der Rückrufe in der Automobilindustrie verantwortlich.
OTA ist auch ein zentrales Element der Technologie für autonomes Fahren. Es garantiert eine reibungslose und sichere Navigation und Routenführung. Diese Updates liefern Geländedaten und aktualisierte Straßenschilder sowie Informationen über momentan gesperrte Straßen und Fahrbahnreparaturen. Also: Autos mit Automatisierungsfunktionen brauchen definitiv sofortige Aktualisierungen.
Bisher verfügen nur wenige Fahrzeugmodelle über Level 1, Level 2 oder Level 3 der Automatisierung. OTA wird die Entwicklung von autonomen Autos allerdings vorantreiben. Heute verfügen Tesla Autopilot und Cadillac Super Cruise über Teilautomatisierungssysteme des Level 2. Honda Motor stellte im März 2021 das weltweit erste selbstfahrende Auto der Stufe 3 vor. Das System dieser Luxuslimousine Legend beschleunigt, bremst und lenkt automatisch und erfasst seine Umgebung, indem es Daten von hochauflösenden Karten und externen Sensoren nutzt. Experten gehen davon aus, dass in den nächsten 5-10 Jahren Level-4- und Level-5-Fahrzeuge auf dem Weg sind. Mit der OTA-Technologie kann man also höhere Stufen der Fahrautomatisierung erreichen.
Alle Fahrzeuge werden immer vernetzter und erfordern einen neuen gesetzlichen Rahmen für ihre fortschrittlichen und autonomen Funktionen. Regierungen und Organisationen unterstützen sie dabei mit neuen Gesetzen und Standards. In die Verantwortung der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) fällt nicht nur die Reglementierung von Reifen, Bremsen, Sicherheitsgurten und Airbags. Sie schreibt auch die Möglichkeit vor, Rückrufe einzuleiten, wenn ein die Sicherheit beeinträchtigender Fahrzeugfehler festgestellt wird. Der OTA-Mechanismus wiederum hilft den Automobilherstellern, die Aufgaben, die in diesem Zusammenhang entstehen, schneller und zu geringeren Kosten zu erledigen.
Die andere Seite der Medaille sind neue Sicherheitsbedrohungen und Datenschutzbedenken, die mit der Konnektivität von Autos zusammenhängen. Remote-Updates erhöhen die Chance auf böswillige Angriffe auf Fahrzeuge, einschließlich der Beeinträchtigung von Kernfunktionen. Manipulation der Update-Pakete, die Informationen für ECU-Software-Upgrades enthalten, ist eine der häufigsten Bedrohungen.
Ein altes, aber anschauliches Beispiel für mögliche Hackerangriffe ist Tesla. Forscher des Keen Security Lab von Tencent übernahmen aus der Ferne die Kontrolle über ein Tesla Model S, indem sie die WLAN-Verbindung manipulierten. Als Reaktion darauf führte der Autohersteller innerhalb von 10 Tagen einen Code-Signatur-Schutz in seine Autos ein, der Updates over the air ermöglicht.
Bei OTA kommt es also darauf an, die Übertragung und Speicherung von Update-Paketen zu gewährleisten und Autorisierungs- und Verifizierungsmechanismen zu schützen. Komplexe mehrstufige Techniken, die die Datenübertragung schützen und die Steuergeräte validieren, sind ein Muss. Und Autohersteller wie Tesla verwenden VPN zwischen der Server-Infrastruktur und einem Fahrzeug.
Die OTA-Technologie kann Segen und Fluch zugleich sein. Auf der einen Seite bringt sie viele Vorteile mit sich, die für die Stabilität der IoT-Systeme sorgen. Laufende Software-Updates helfen Herstellern, Fahrzeugfunktionen zu aktualisieren, einen reibungslosen Service zu gewährleisten, Sicherheit zu bieten, das Produkt zu verbessern und länger im Einsatz zu bleiben. Auf der anderen Seite bringt die OTA-Technologie auch Herausforderungen mit sich. Beispielsweise müssen OEMs lernen, wie sie mit Kundenerwartungen, Konsequenzen von Fehlern und der Bereitstellung von sicheren Updates umgehen. Benötigen Sie Unterstützung bei der Implementierung von Over-the-Air-Updates in der Automobilindustrie? Wenden Sie sich an unser Engineering-Team, das Sie in jeder Phase Ihrer Produktentwicklung berät und unterstützt.