UX-Design im Fokus: so wird Ihre Gesundheits-App zu einer guten Gesundheits-App

Über 350.000 Gesundheits-Apps wurden laut einer Studie des IQVIA Institutes Ende 2021 in den verschiedenen App-Stores weltweit angeboten. 2015 waren es nur die Hälfte. Ganz vorne mit dabei sind Apps für psychische Gesundheit, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen: zusammen machen sie fast die Hälfte der krankheitsspezifischen Apps aus. Erwartet wird, dass der Markt für Gesundheits-Apps 2025 bei rund 246,8 Milliarden US-Dollar liegen wird.

Auch in Deutschland steht die Digital Healthcare weit oben auf der Tagesordnung. Neben dem unregulierten Gesundheitsmarkt (diese Gesundheits-Apps können relativ einfach über die App-Stores angeboten werden), gibt es seit September 2020 die digitalen Gesundheitsanwendungen (kurz: DiGAs): Apps auf Rezept, die von Ärzten oder Psychotherapeuten verordnet werden, um bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten zu unterstützen. 

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Medizin 4.0: Gesundheits-Apps in Deutschland

Warum ist der Markt der Gesundheits-Apps so auf dem Vormarsch? Erstens: Weil die Digitalisierung der Medizin auch in Deutschland endlich voranschreitet. Zweitens: Weil unser Gesundheitssystem Unterstützung braucht. Viele (chronische) Erkrankungen oder Therapien erfordern eine Dauerbetreuung, für die es im medizinischen Alltag keine Zeit gibt. Eine Konsequenz daraus ist oft fehlende Therapietreue (die sogenannte Adhärenz). Diese fehlende Adhärenz ist einer der wichtigsten Gründe, warum Behandlungen versagen. 

In diesem Artikel zeigen wir, wie Gesundheits-Apps die Medizin unterstützen können und welche Anforderungen sie dafür erfüllen müssen. 

Mit guter Usability & User Experience (UX) zu mehr Therapietreue?

Die meisten Gesundheits-Apps bieten langfristige Behandlungsprogramme, die die Nutzer durch verschiedene Phasen begleiten. Sie optimieren das Selbstmanagement und die Motivation im Alltag oder unterstützen bei der Nachsorge nach Operationen. Erst recht, wenn sie mit Wearables, Künstlicher Intelligenz oder Cloud Computing kombiniert werden, haben Gesundheits-Apps das Potenzial, die Adhärenz zu steigern. 

Leider sieht die Praxis anders aus als die Theorie, denn trotz großem Potenzial werden viele der Gesundheits-Apps (noch) nicht optimal oder nur kurzfristig genutzt. Von den 350.000 erwähnten globalen Gesundheits-Apps sind 110 Apps für die Hälfte aller Downloads verantwortlich. Auch bei den deutschen DiGAs gibt es Verbesserungspotenzial. 16 Prozent der 244 Befragten einer TK-Studie haben angegeben, die DiGAs nur wenige Male pro Monat oder gar nicht zu benutzen. 

Wie ist das möglich? Die Befragten der TK-Studie sind unzufrieden mit den DiGAs, weil sie keinen Mehrwert bieten, nicht auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind und es Probleme mit der Nutzung gibt. Außerdem motiviert die App sie nicht zum Weitermachen. Diese Gründe weisen auf ein Problem der Apps hin: mangelnde Usability & User Experience (UX).

Gute Usability und gute User Experience: Was ist das?

  • Eine gute Usability (Gebrauchstauglichkeit): Die Nutzer können die App problemlos nutzen. Sie verstehen sofort, wie die App funktioniert und wo alle wichtigen Sachen stehen. Kurz gesagt: Die Struktur der App sitzt.
  • Eine gute User Experience (positives Nutzungserlebnis): Die User Experience bezieht sich nicht nur auf die Struktur, sondern auf das Gesamterlebnis der App. Tragen u. a. die Reaktions- und Ladezeiten, das Design und die Texte dazu bei, dass die Nutzer die App positiv bewerten?

Beziehen wir diese beiden Konzepte auf die Gesundheits-Apps, dann gibt es folgende Probleme (die auch hier kurz beschrieben werden):

  • Viele der Gesundheits-Apps sind zu kompliziert für ältere Menschen oder Menschen mit mentalen oder körperlichen Einschränkungen. Dies hat viel mit der langsamen Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens zu tun. 2019 hatten weniger als 10 % der Patienten schon mal eine Diagnostik- oder Vorsorge-App genutzt. Das wirkt sich negativ auf das intuitive Verständnis aus. 
  • Der Inhalt passt nicht zu den Bedürfnissen der Zielgruppe.
    Die App macht keinen Spaß oder fördert keine Motivation, sie weiter zu nutzen.
  • Das Thema Gesundheits-Apps und Datenschutz bleibt ungeklärt und viele Nutzer fragen sich: Was macht die App eigentlich mit meinen Gesundheitsdaten? Ist das alles auch DSGVO-konform?

Gute Gesundheits-Apps brauchen klare UX-Standards

Lange Rede, kurzer Sinn: Gesundheits-Apps, die langfristig zur Gesundheit des Nutzers beitragen, sollten mit klaren User Experience Standards entwickelt werden. Welche Standards entscheidend sind, muss selbstverständlich per App entschieden werden: u. a. die Zielgruppe sowie das gesundheitliche Ziel bestimmen, was eine gute User Experience ausmacht.  

Folgende UX-Standards sollten aber immer beachtet werden:

  • Die Performance muss stimmen: Die App lädt schnell und es gibt keine technischen Fehler. Wenn doch mal etwas schief läuft, gibt es eine Erklärung dafür und das Problem wird schnell gelöst.
  • Die App ist barrierefrei: Die interaktiven Elemente (wie z. B. Icons) sind groß genug und verständlich, die Farben werden konsequent genutzt und das gesamte Layout ist intuitiv. Alle Nutzer der Zielgruppe können die App hierdurch problemlos nutzen.
  • Es gibt Gamification-Elemente: Challenges, Badges oder andere Spielelemente sorgen für Motivation und tragen zu einer langfristigen Nutzung bei. Diese Elemente steigern nachweislich die Adhärenz.

Außerdem sollte das Thema Datenschutz berücksichtigt werden. Gesundheits-Apps erfassen in der Regel eine Menge vertraulicher Daten: nicht nur allgemeine persönliche Daten, sondern auch Daten zum Gesundheitszustand. Wenn diese Daten über Sicherheitslücken in die falschen Hände geraten, kann das weitreichende Folgen haben. Leider ist genau dies bei den DiGAs Novego und Cankado passiert. 

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Use Cases: 3 Gesundheits-Apps mit einer sehr guten User Experience

In den nächsten Absätzen stellen wir drei Gesundheits-Apps mit einer sehr guten User Experience vor. Zwei der Apps sind digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs), eine App wurde von dem österreichischen Digital Healthcare Unternehmen mySugr hergestellt. 

Eine gute Performance durch schnelle Lade- und Reaktionszeiten 

Apps, die ewig laden oder lange brauchen, um neue Fenster zu öffnen: es gibt kaum etwas, was Nutzer so verärgert. Wenn dazu auch noch technische Fehler auftreten oder die App aus anderen Gründen nicht problemlos funktioniert, ist die ‘Delete App’ Entscheidung meistens schnell getroffen. Der Inhalt kann super sein, aber wenn die Performance nicht sitzt, ist alles andere egal.

Wenn Menschen unter einer psychischen oder körperlichen Erkrankung leiden, sollten die Gesundheits-Apps, für die sie sich entscheiden, keinen weiteren Stress erzeugen. Im Gegenteil: Sie sollten sie bei ihrer Behandlung unterstützen und entlasten.

Eine fast fehlerfreie App für Angststörungen: Mindable

Ungefähr 15 Prozent der Deutschen haben laut dem Robert Koch-Institut eine Angststörung. Sie leiden unter plötzlichen Panikattacken, trauen sich nicht mehr an bestimmte Orte (Agoraphobie) oder haben Angst vor sozialen Kontakten (eine soziale Phobie). Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland und die Erwartung ist, dass die Zahl weiterhin zunehmen wird. 

Der Markt für Gesundheits-Apps scheint das Potenzial in diesem Bereich erkannt zu haben: von den aktuell 38 DiGAs beziehen sich 6 auf Angststörungen. 

Eine dieser DiGAs ist Mindable: eine App auf Rezept für Panikstörung und Agoraphobie. Laut Checkup-Daten von 182 Nutzern werden die Symptome mit dieser App schon nach acht Wochen weniger. Das langfristige Commitment der Nutzer sowie die positiven Ergebnisse haben viel mit der Performance der App zu tun: 

  • sehr kurze Zeit bis das Design beim ersten Start sichtbar wird
  • sehr kurze Zeit bis zur ersten Interaktion beim ersten sowie erneuten Start
  • latenzfreie Reaktionszeiten bei Navigationen und Nutzereingaben
  • Ladevorgänge sorgen nicht für Layout-Verschiebungen
  • keine technischen, interaktiven oder navigatorischen Fehler. Und wenn doch, dann werden sie schnell gelöst

Auch die Barrierefreiheit stimmt bei dieser Gesundheits-App. Informationen werden strukturiert dargestellt und die Navigation ist unkompliziert und intuitiv. 

Barrierefreiheit bedeutet intuitives Design und verständliche Texte

Genauso wichtig für ein positives Benutzererlebnis, wie die Performance, ist die Barrierefreiheit der Gesundheits-App. Dass eine App technisch sehr gut entwickelt ist, bedeutet nämlich noch lange nicht, dass sie auch intuitiv verständlich ist. Verstehen Nutzer sofort, wo sie klicken müssen, um einen Schritt weiter zu kommen? Können sie die Inhalte gut lesen, weil die Texte groß genug sind? Ist das Layout angenehm für die Augen, oder gibt es zu wenig Ruhepunkte? Und: passt das Design auch zur Zielgruppe der App?

Wenn Apps barrierefrei gestaltet werden, können sie auch von Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen, Menschen mit einem Migrationshintergrund sowie älteren Menschen problemlos genutzt werden. Besonders bei Gesundheits-Apps spielt die Barrierefreiheit eine wichtige Rolle, denn sie werden meistens von einer heterogenen Zielgruppe genutzt. 

Eine Gesundheits-App, die durch ihre gute Barrierefreiheit auffällt, ist die DiGA ViViRA: eine App auf Rezept gegen Rückenschmerzen. 

Eine barrierefreie Gesundheits-App gegen Rückenbeschwerden: ViViRA

ViViRA ist eine sehr interaktive App. Sie schlägt den Nutzern jeden Tag vier verschiedene Übungen vor, die per Bild oder Video vorgeführt werden. Vor, während und nach den Übungen bekommen die Nutzer Hinweise und Feedback per Video, Ton oder Text. Die täglichen Ziele sowie die Schmerzen werden mit übersichtlichen Grafiken angezeigt. 

Wenn Apps so interaktiv sind, kann die Barrierefreiheit schnell zur Herausforderung werden. Die unterschiedlichen Elemente erfordern verschiedene Barrierefreiheit-Checks und müssen zu einem verständlichen und einheitlichen Ganzen zusammengebracht werden. ViViRA bekommt dies ausgezeichnet hin. Das Design macht einen sehr ruhigen Gesamteindruck und trotz der vielen verschiedenen Möglichkeiten, verstehen die Nutzer schnell, wie sie die App für sich nutzen können.

Barrierefreie Elemente, die bei ViViRA besonders gut funktionieren:

  • Informationen werden strukturiert wiedergegeben
  • Die interaktiven Elemente sind groß genug
  • Die Texte sind groß genug und leicht verständlich
  • Die Farben folgen einem System (sie sind konsistent)
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Gamification sorgt für Motivation und steigert die Adhärenz

Gesundheits-Apps widmen sich einem ernsten Thema und haben ein klares Ziel: die gesundheitlichen Beschwerden reduzieren. Viele unerfahrene Entwickler gehen davon aus, dass die intrinsische Motivation der Nutzer ausreicht, um die App (langfristig) zu nutzen. Schließlich haben die Nutzer ein sehr klares und (lebens)wichtiges Ziel: gesund zu werden. Diese Annahme stimmt aber nicht: Die meisten Nutzer brauchen externe oder extrinsische Anreize, um langfristig motiviert zu bleiben.

Gamification schafft diese Reize, indem es Elemente, die wir aus dem Gaming-Bereich kennen, in Apps integriert. Ein bekanntes und erfolgreiches Vorbild außerhalb der Gesundheitsbranche ist die App Duolingo. Die Nutzer lernen eine neue Sprache und üben sich dabei durch die verschiedenen Levels, gewinnen Pokale und lassen die ‘Konkurrenz’ hinter sich. Lässt die Motivation langsam nach? Dann ist das sofort mit diversen Nachteilen verbunden. Diese Strategie scheint zu funktionieren, denn Duolingo hat über 40 Millionen aktive Langzeit-Nutzer.

Warum die App mySugr Spaß macht 

Diabetes ist eine anstrengende Krankheit, die den Alltag kontinuierlich beeinflusst. Die verschiedenen Werte ändern sich ständig und müssen immer im Auge behalten werden. Die App mySugr macht aus dieser anstrengenden Realität eine spielerische Herausforderung. Sie tut dies, indem sie Diabetes in Form eines süßen Monsters darstellt. Dieses Monster muss täglich versorgt werden und wenn das gut klappt, gibt es Belohnungen. Ein bisschen wie der Tamagotchi früher…

Fast alles, was die Nutzer in der mySugr-App machen (Blutzuckermessungen, Bolus Berechnungen, Mahlzeiten-Einträge und noch vieles mehr) wird von dem kleinen Monster begleitet. Dieses kleine Monster hat übrigens auch einen Namen, den sich der Nutzer selbst aussuchen kann. 

Erfolgreiche Gaming-Elemente der mySugr-App:

  • Ein kleines Monster begleitet jeden Schritt der Nutzer und sorgt für tägliche Motivation 
  • Regelmäßige Challenges, die auf den Nutzer abgestimmt sind
  • Über eine Mahlzeiten-Fotos-Funktion können die Lieblingsgerichte eingetragen werden und die Nutzer werden zu echten Food-Experten
  • Übersichten der Werte über die Zeit helfen, Muster zu erkennen und den Diabetes immer besser zu managen

Fazit: Gesundheits-Apps brauchen besseres UX-Design

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet langsam voran, was sich positiv auf den Markt der Gesundheits-Apps auswirkt. Immer mehr Gesundheits-Apps werden entwickelt und angeboten: in den verschiedenen App Stores (unreguliert) sowie vom Arzt ‘auf Rezept’ (DiGAs). Viele dieser Gesundheits-Apps scheitern aber in Sachen UX-Design und werden nicht langfristig genutzt. Entwickler müssen deswegen klare UX-Standards berücksichtigen, wenn sie ihre Apps entwickeln. Nur so können die Gesundheits-Apps den erwünschten positiven Effekt haben und das Gesundheitswesen sowie die Patienten bedeutend unterstützen. 

Softeq als Partner für UX-Design

Als Partner für UX-Design führen wir eine gründliche UX-Recherche durch und entwickeln Apps, die eine ausgezeichnete Nutzererfahrung auf allen Geräten bieten. Profitieren Sie von unserer Erfahrung im Gesundheitswesen.

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