Blog über das Internet of Things | Softeq

Wie können Wearables die Sicherheit auf der Baustelle erhöhen?

Geschrieben von Alex Makarevich | 14.12.2020 10:35:05

Die Bauindustrie nimmt neue Technologien nur langsam an. Laut der Studie Digitalisierungsindex Mittelstand 2019/2020 schreitet die Digitalisierung in allen Branchen voran. Jedoch bleiben die Bauunternehmen mit 52 von 100 möglichen Punkten immer noch unter dem branchenübergreifenden Durchschnitt. Neue Technologien wie Wearables können Abläufe auf Baustellen entscheidend verbessern. Aber hier sind sie noch im Anfangsstadium und haben ihr volles Potenzial noch nicht unter Beweis gestellt.  

Immerhin erwarten Experten, dass sich diese Situation in naher Zukunft ändert. Der Grund: Traditionelle Methoden haben sich als unzureichend erwiesen, wenn es darum geht, Unfälle, auch tödliche, auf Baustellen zu verhindern. Daher wächst die Nachfrage nach neuen Strategien, die mehr Sicherheit für Bauarbeiter gewährleisten.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) veröffentlichte in ihrer Broschüre, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Arbeitsunfall zu erleiden, für Bauarbeiter viel höher ist als für andere Berufsgruppen. Im Jahr 2018 wurden 138 Unfälle auf eintausend Vollbeschäftigte in der Baubranche gemeldet. 88 Arbeitsunfälle in der Bauwirtschaft endeten in demselben Jahr tödlich. 

Unter solchen Umständen wäre eine breitere Anwendung technologischer Fortschritte, z. B. von Wearables, eine taktische und auch strategische Lösung: So könnte man Baustellen zu einem sichereren Ort machen und jüngere Arbeitnehmer für den Sektor gewinnen.

Die Architektur tragbarer Lösungen: Komponenten und Struktur

Bauarbeiter sind physiologischen und auch umweltbedingten Risikofaktoren ausgesetzt. Dazu gehören Müdigkeit, Sekundenschlaf, körperliche Belastung, Arbeiten in der Höhe oder mit leichtentzündlichen und giftigen Gefahrenstoffen, starker Lärm usw.

Um Risiken vorzubeugen, analysiert eine Technologielösung für Sicherheit auf Baustellen biometrische Daten von tragbaren Geräten und Standortdaten von BLE-basierten Echtzeit-Lokalisierungssystemen (RTLS), Satelliten, RFID-Tags und Umweltmarkern.

Solche Lösungen bestehen aus drei Hauptkomponenten: Hardware, Kommunikations-Gateways und Software.

Hardware

Zur Hardware gehört jedes Objekt mit einem Chip, z. B. in Wearables eingebettete Sensoren (Schutzhelme, Kleidung, Schuhe) oder an Wänden und Anlagen angebrachte Tags. Beschleunigungs- und EDA-Sensoren, Gyroskope, Magnetometer und andere bilden ein Körpersensornetzwerk: Sensoren werden in dem, an dem und um den menschlichen Körper platziert. 

Kommunikations-Gateways

Die Komponenten tauschen Daten zwischen den Sensoren aus und senden sie zur weiteren Analyse und Speicherung an entfernte Server. Für schnelle Antworten verarbeiten sie die empfangenen Daten am Edge

Tragbare Lösungen für Sicherheit auf Baustellen tauschen Daten auf drei Ebenen aus:

Body Area Network (BAN). Solche Netzwerke verbinden am Körper getragene Sensoren. Sie haben in der Regel eine kurze Reichweite und werden über Bluetooth und Zigbee mit Strom versorgt.

Personal Area Network (PAN)/Local Area Network (LAN). Ein drahtloses PAN (WPAN), z. B. Bluetooth, oder ein drahtloses LAN (WLAN) sammelt Daten von Sensoren und überträgt sie an die Cloud oder einen lokalen Server. 

Wide Area Network (WAN). Diese Netzwerke basieren auf einer verteilten Infrastruktur. Der Datenaustausch erfolgt über GPS-Satellitenkommunikation, Worldwide Interoperability for Microwave Access (WiMAX), Metropolitan Area Networks (MAN) oder Internetprotokolle (IPs), die eine Verbindung zum Internet herstellen.

Software

Diese Komponenten, einschließlich Middleware und einer Anwendung, sind für Berechnung, Analyse, Speicherung, Visualisierung und Analytik verantwortlich, je nach den Anforderungen der Anwendung. Datenanalyse und eingebettete Intelligenz machen die Systeme kontextsensitiv und anpassungsfähig: Nach der Verarbeitung biometrischer und Standortdaten senden sie Warnmeldungen über potenzielle Gesundheitsrisiken. 

Die Komponenten bilden die folgende typische 4-Layer-Architektur:

5 tragbare Lösungen für mehr Sicherheit am Bau

Traditionell wurden Sicherheitsmaßnahmen im Bauwesen reaktiv getroffen – als Reaktion auf bereits eingetretene Unfälle. Wearables ermöglichen proaktive Sicherheitskontrolle, Bewertung und Management zur Unfallverhütung. Sie helfen auch bei der Navigation auf einer Baustelle, beim Coaching, beim reaktiven Lernen und beim Datenaustausch und -zugriff aus der Ferne.

Hier finden Sie einen Überblick über die vielversprechendsten Lösungen für tragbare persönliche Schutzausrüstungen (PSA), die lebenswichtige Signale, wie Herz-, Atemfrequenz und Körperhaltung, überwachen können und Frühwarnsysteme für Arbeitnehmer mit hohem Gesundheitsrisiko bieten.

Smarte Schutzhelme

So funktioniert es

Schutzhelme sind mit einem Stirnband ausgestattet, das die Hirnströme des Elektroenzephalogramms (EEG) aufzeichnet. Sobald die integrierten Algorithmen einen erhöhten Müdigkeitsgrad oder Sekundenschlaf erkennen, sendet das System Sprach- und/oder Vibrationsalarme an eine mit ihm verbundene mobile App oder ein anderes Gerät der Wahl.

Smarte Schutzhelme können mit einer Kamera ausgestattet sein, die nicht nur Ereignisse aufzeichnet, sondern auch bei Navigation und Ortung hilft.

Verbesserungsmöglichkeiten

Gegenwärtig sind smarte Schutzhelme auf universelle Messwerte angewiesen. Doch die Hirnaktivität ist nach wie vor ein sehr individuelles Thema und somit ist der Müdigkeitsgrad von Person zu Person unterschiedlich. Um effizient zu sein, müssen intelligente Helme auf fortschrittlichen Algorithmen zur Erkennung von Müdigkeit basieren. 

Aus diesem Grund werden wir wahrscheinlich einen Anstieg der Entwicklung des maschinellen Lernens (ML) für Wearables erleben. ML-Methoden wenden Algorithmen auf die extrahierten individuellen Ermüdungsdeskriptoren (IFDs) an, wie z. B. Elektromyografie (EMG) und Herzfrequenzvariabilität (HRV). Sie klassifizieren entsprechende Stufen der Ermüdung, helfen bei der Identifizierung aufkommender Sicherheitsrisiken und rationalisieren datengesteuerte Entscheidungen im Sicherheitsmanagement.

Smarte Brillen

So funktioniert es

Sprachsteuerung Live-Bilder aus ihrem Sichtfeld digital zu übertragen und dabei die Hände frei zu haben. Träger smarter Brillen können auch Benachrichtigungen erhalten, sobald sie sich einem Gefahrenbereich nähern, und Echtzeit-Anweisungen von Experten aus der Ferne befolgen.

Verbesserungsmöglichkeiten

Damit die smarte Brille ein nützliches Tool und kein störendes Ärgernis wird, benötigen Bauarbeiter eine spezielle Schulung und Zeit zur Anpassung. So lernen sie den richtigen Umgang mit dem Zustrom von drahtlosen Daten, die auf ihre intelligente Brille gelangen.

Um die smarten Brillen optimal zu nutzen, sollten AR-, Bewegungssensoren und GPS-Daten einbezogen werden, die die 3D-Echtzeit-Navigation und virtuelle Touren unterstützen. Darüber hinaus sollte das Gerät bei einem Unfall auf der Baustelle den Standort des Arbeiters an Notfallhelfer weitergeben.

Newsletter
 

Smarte Arbeitswesten

So funktioniert es

Intelligente E-Textilien verfügen über eingebettete Sensoren, die den physiologischen Zustand des Trägers überwachen: Körpertemperatur, Blutdruck, Pulsfrequenz, Muskelspannung oder andere biomedizinische Kriterien. Sie erkennen auch mögliche Hitzebelastung und erzeugen als Reaktion auf Unfälle sofortige Echtzeit-Warnmeldungen. 

Die winzigen Sensoren kommunizieren miteinander, bilden ein BAN und aktualisieren die Daten auf dem Smartphone des Arbeiters oder dem Computer im Ingenieurbüro.

Verbesserungsmöglichkeiten

Die Entwicklung intelligenter Kleidungsstücke, wie Westen und Jacken, befindet sich noch in der Anfangsphase, insbesondere in Bezug auf Energy Harvesting und Verkleinerung der Hardwarekomponenten. Das bedeutet, dass Aufladen und Batterielebensdauer immer noch ein Problem für die Forschung darstellen.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, den Einfluss von Waschprozessen, Temperatur, Schweiß, Feuchtigkeit, Deformation und Kompression zu bekämpfen, um sicher zu stellen, dass intelligente Kleidung Verformungen standhält.

Smarte Schuhe

So funktioniert es

Laut dem Bericht von Global Market Insights wird der Markt für Arbeitsschuhe bis 2026 durchschnittlich um 6 % jährlich wachsen. Intelligente Schuhe verfügen über Temperatursensoren, GPS, WLAN und inertiale Maßeinheiten (IMUs) zur Lokalisierung, und vieles mehr. Einige vernetzte Schuhe, wie die von SolePower, werden durch ein kinetisches Ladegerät betrieben, das die beim Gehen erzeugte Energie nutzt. 

Interaktive intelligente Schuhe sammeln Daten, einschließlich Gangeigenschaften und Aktivitätsmuster, analysieren die Umgebung, liefern Informationen über den Standort in Echtzeit und senden diese an eine mobile oder Desktop-Anwendung. Auf diese Weise alarmieren sie Manager bei Unfällen oder Abstürzen und helfen dem Sicherheitspersonal, umgehend zu reagieren.

Verbesserungsmöglichkeiten

Es ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten, bevor intelligente Schuhe in der Bauindustrie weit verbreitet sind. Verbesserungsbedarf besteht noch hinsichtlich einer gewichtssparenden Konstruktion der Schuhe. Auch die intelligenten Sensoren müssen noch verbessert werden, genauso wie die Datenlatenz und Kommunikation.

Smarte Uhren

So funktioniert es

Trotz einer wachsenden Zahl neuer tragbarer Technologien sind Armbänder nach wie vor die beliebtesten Geräte, was die Einführung von smarten Uhren in der Baubranche erleichtert. 

Intelligente Uhren ermöglichen es Managern, die Leistung ihrer Mitarbeiter zu bewerten und ihre Gesundheitsdaten im Auge zu behalten. Sie ermöglichen es ihnen auch, mit ihren Mitarbeitern zu kommunizieren, Aufgaben zu verfolgen und sich bei Bedarf coachen zu lassen.

Verbesserungsmöglichkeiten

Trotz des kommerziellen Erfolgs von Smartwatches auf dem Verbrauchermarkt, müssen sie entscheidend verbessert werden, um den Anforderungen der Bauindustrie gerecht zu werden und die Genauigkeit der Sensordaten zu gewährleisten. 

Bisher haben mehrere Studien gezeigt, dass tragbare Geräte im Ruhezustand ziemlich genau sind. Aber während der Aktivität steigt die Zahl der Fehler. Bei Smartwatches ist einer der häufigsten Fehlergründe ein Bewegungsartefakt. D. h. durch die Verschiebung eingebetteter Sensoren auf der Haut kommt es zu falschen Berechnungen.

Fazit

Die Baubranche ist im Wandel. Schon bald werden wir viele neue Projekte beobachten können, die auf diesen risikoreichen Markt kommen werden, zusammen mit innovativen Programmen im Sicherheitsmanagement.

Im Jahr 2018 verursachten Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes sowie Verletzungen, Vergiftungen und Arbeitsunfälle im Baugewerbe einen Produktionsausfall von 2,15 Milliarden Euro und einen noch größeren Ausfall an Bruttowertschöpfung. Investitionen in technologisch fortschrittliche Sicherheitsprogramme, einschließlich tragbarer Geräte, werden sich sowohl in finanzieller als auch in ethischer Hinsicht auszahlen.