Bisher verfolgt das Gesundheitswesen bei der Versorgung einen Einheitsansatz – ein Goldstandard, der für alle Patienten gilt. An der personalisierten Medizin wird seit längerem geforscht, doch bisher ist sie aufgrund mangelnder Technologien nicht erschwinglich gewesen. Aber Zeiten ändern sich. Dank des rasanten Fortschritts in der künstlichen Intelligenz (KI) und der gestiegenen Menge an Gesundheitsdaten – Stichwort Big Data – ist die personalisierte Medizin mittlerweile in greifbare Nähe gerückt.
Für Technologieunternehmen eröffnen sich durch KI und Big Data im Gesundheitswesen neue Möglichkeiten. Denn Big Data liefert wertvolle Informationen für die Präzisionsmedizin, während KI in der Lage ist, diese Menge an Daten schnell zu verarbeiten. Diese Synergie ist ein Gamechanger für die Gesundheitsbranche.
In diesem Artikel tauchen wir in die Welt der KI und Big Data im Gesundheitswesen ein und schauen anhand konkreter Fallbeispiele, wie sie die Branche nachhaltig transformiert.
Unter Präzisionsmedizin fallen zielgerichtete Therapien, die eine personalisierte Behandlung von Patienten ermöglichen. Behandelnde Ärzte richten ihren Blick dabei nicht nur auf die Krankengeschichte und Symptome des Patienten, sondern auch auf genetische Informationen, Biomarker und andere physiologische Daten. Dies ermöglicht es jedem Patienten, einen maßgeschneiderten Behandlungsplan zu erhalten. Medikamente, auf die der Patient schlecht oder gar nicht anspricht, gehören so der Vergangenheit an. Auch Nebenwirkungen lassen sich dadurch minimieren.
Für eine personalisierte Therapie benötigt die Präzisionsmedizin Zugang zu massiven Datenmengen und das richtige technische Know-how, um diese zu verarbeiten. Zwei wichtige Elemente sind von Bedeutung:
Datensammlung und -aufbereitung. Hier kommt Big Data ins Spiel. Big Data basiert auf extrem großen und komplexen Datensätzen. Nur intelligente Analysetools und Technologien sind in der Lage, diese riesigen Datenmengen zu verarbeiten. Denn diese Daten stammen aus den verschiedensten Quellen und müssen mit hoher Geschwindigkeit abgerufen und verarbeitet werden. Beispiele hierfür sind genetische Informationen, die Krankengeschichte oder Angaben zum Lebensstil.
Dateninterpretation. Dies gelingt mit künstlicher Intelligenz. KI kann große Mengen in Echtzeit verarbeiten, Muster erkennen und daraus Erkenntnisse ableiten. In der Präzisionsmedizin unterstützt sie beispielsweise die umfangreiche Interpretation genomischer Datensätze. Dank maschinellem Lernen und Deep Learning findet sie mögliche Verbindungen, die per Hand entweder sehr lange gesucht werden müssen oder möglicherweise sogar übersehen werden. Mit den Ergebnissen etablieren Ärzte im Anschluss zielgerichtete Therapiepläne, die auf dem Genom des Patienten basieren.
Die Kombination aus KI und Big Data birgt großes Potenzial für die Gesundheitsbranche. Gleichzeitig ist es eine vielversprechende Nische für Unternehmen, die digitale Lösungen für das Gesundheitswesen entwickeln. Bereits heute sind einige ihrer Lösungen auf dem Markt.
In diesem Beitrag stellen wir Ihnen hier drei gängige Use Cases für KI und Big Data in der Präzisionsmedizin vor, mit Beispielen aus der Praxis.
Die Anzahl der Krebsfälle nimmt kontinuierlich zu. Allein in Deutschland erkranken jährlich etwa 500.000 Menschen neu an Krebs. Trotz der sich weiter entwickelnden Therapiemöglichkeiten stellt eine solche Diagnose eine erhebliche Belastung für den Patienten und seine Angehörigen dar. Die gute Nachricht ist, dass eine frühzeitige Diagnose die Überlebensprognose erheblich verbessern kann. Darüber hinaus hilft eine genaue Analyse der Krebsart, eine wirksame Therapie zu finden. Hier kommt die Kombination aus KI und Big Data ins Spiel.
Big Data liefert wertvolle Einblicke in die Krebsbiologie und Risikofaktoren. Auf molekularer Ebene gibt es genetische Marker, die auf ein erhöhtes Risiko für eine Krebserkrankung hindeuten. So wissen Experten heute, dass beispielsweise Frauen mit einer Mutation im BRCA-Gen im Laufe ihres Lebens sehr wahrscheinlich an Brust- oder Eierstockkrebs erkranken werden. KI kann die genomischen Daten einer Patientin analysieren und dadurch schnell bestimmte molekulare Signaturen wie eine BRCA-Mutation erkennen. Dadurch erfährt die betroffene Frau zeitnah, ob sie ein erhöhtes Risiko für diese bestimmte Krebserkrankungen hat. Gemeinsam mit ihrem Arzt entscheidet sie anschließend, welche Schritte sie als Nächstes unternimmt (z.B. häufigere Screening-Untersuchungen oder prophylaktische Entfernung des Brustgewebes).
Das Anlegen umfangreicher Datenbanken aus Studien, Behandlungen und pharmazeutischer Forschung bringt auch die Krebsforschung voran. Eine dieser Datenbanken ist die CCLE (Cancer Cell Line Encyclopedia). Diese Enzyklopädie enthält Informationen zu über 1000 Krebszelllinien beim Menschen. Diese Krebszelllinien sind entscheidend für das Verständnis der Krebsbiologie, die Validierung von Krebszielen und die Beurteilung der Wirksamkeit von Medikamenten. Die Datenbank enthält Angaben zu den genetischen Eigenschaften und möglichen Schwachstellen, die in der pharmakologischen Forschung verwendet werden können.
DigiNet ist eine deutsche Plattform, die speziell für die Forschung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms entwickelt wurde. Patienten oder ihre behandelnden Ärzte können den Verlauf einer Therapie eintragen. Dadurch entsteht eine digitale Datenbank mit personalisierten Therapieplänen und deren Wirksamkeit, die kontinuierlich gesteuert und evaluiert wird. Mit diesen Daten lässt sich eine zielgerichtete Lungenkrebstherapie für Patienten entwickeln. Gerade bei einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung können so Lebensqualität und Überlebensdauer verbessert werden.
Egal ob es sich um eine Krebs- oder Autoimmunerkrankung handelt, eine frühzeitige Diagnose erhöht die Heilungschance und erhält die Lebensqualität. Aber entsprechende Tests sind nicht immer einfach und der Weg bis zur richtigen Diagnose ist lang. So dauert es beispielsweise im Schnitt etwa drei bis fünf Jahre, bis ein Patient mit Multipler Sklerose diagnostiziert wird. In dieser Zeit sucht er vergeblich mehrere Ärzte auf. Gleichzeitig können sich die Symptome verändern und die Diagnose erschweren.
Die Kombination aus KI und Big Data trägt dazu bei, die Diagnose von Autoimmunerkrankungen und seltenen Krankheiten zu beschleunigen. KI-Modelle, die auf der Grundlage großer Datensätze zu Diagnosen und Symptomen trainiert sind, können mögliche Verbindungen entdecken und so Ärzte bei der Diagnose ihrer Patienten unterstützen. Viele große Hersteller von bildgebenden Verfahren wie GE Healthcare oder Siemens Healthineers bieten bereits KI-gestützte Lösungen für die Diagnose an. So befreit die KI MRT- oder Röntgenaufnahmen von störenden Artefakten und liefert ein deutlicheres Bild zur Bewertung. Oder sie identifiziert Organe und misst diese automatisch, was ebenfalls die Beurteilung durch Radiologen erleichtert.
Auch für Patienten sind Lösungen basierend auf KI und maschinellem Lernen spannend. Im Gegensatz zur Suche in einer Suchmaschine ermittelt eine intelligente App anhand der Symptome zuverlässiger eine mögliche Erstdiagnose. Mit dem kostenfreien Diagnose-Tool ADA von Novartis lassen sich Symptome überprüfen, die möglicherweise auf eine Rheumaerkrankung hindeuten. Aber auch andere Erkrankungen sind in dieser Datenbank enthalten. Für Patienten, die schon länger mit Gelenkschmerzen kämpfen, bietet die App also eine gute Gelegenheit zu erfahren, woran sie wirklich leiden. Das Chat-Tool leitet den Benutzer über mehrere einfache Fragen durch den Fragebogen und bietet am Ende mögliche Diagnosen an, die mit dem Arzt besprochen werden können. Laut eigenen Angaben ist die Lösung im Durchschnitt bis zu 35 Prozent genauer als andere Diagnose-Apps und deckt 99 Prozent aller Krankheiten ab.
Die Entwicklung neuer Medikamente ist nicht nur komplex, sondern auch zeitaufwendig. Von der Erforschung eines potenziellen Wirkstoffes bis zur Zulassung eines fertigen Medikaments können 13 Jahre vergehen. Das führt zu immensen Kosten, die ein pharmazeutisches Unternehmen erst einmal investieren muss. Im Schnitt beziffern sich die Ausgaben auf 2,3 Milliarden US-Dollar.
Big Data und KI unterstützen die Medikamentenforschung, indem sie diese effizienter gestalten. Vielversprechende Wirkstoffkandidaten werden schneller gefunden, da KI riesige Datenmengen durchsuchen kann und anhand ermittelter Verbindungen die potenziellen therapeutischen Wirkungen vorhersagt. Dies verkürzt die Forschungszeit erheblich.
Darüber hinaus lassen sich diese Wirkstoffkandidaten speziell auf einzelne Patienten zuschneiden. Im ersten Use Case haben wir gezeigt, dass Krebserkrankungen mittlerweile anhand ihrer Genetik sehr genau beschrieben werden. Eine Datenbank mit detaillierten Angaben zur genetischen Zusammensetzung von Tumoren ermöglicht es Ärzten, ein Medikament zu finden, das zielgerichtet diese spezifische Erkrankung des Patienten angreift. Der Arzt verordnet dann die effektivste Wirkstoffkombination.
Damit lässt sich auch das Risiko für potenzielle Nebenwirkungen senken. Denn KI und Big Data sind in der Lage, die Krankengeschichte, den aktuellen Gesundheitszustand und den bisherigen Therapieverlauf dieses Patienten zu analysieren, um vorherzusagen, wie dieser auf Medikamente reagieren wird.
Innoplexus hat eine KI-Plattform entwickelt, die die Erforschung neuer Wirkstoffe erleichtert. Sie sammelt große Mengen unstrukturierter Daten aus Forschung, Publikationen und klinischen Studien. KI-Techniken helfen der Lösung dabei, diese Daten zu verarbeiten. Zum Beispiel klassifiziert und extrahiert Computer Vision relevante Informationen aus PDFs und Bildern. Dank maschinellem Lernen versteht die Plattform den Kontext und lernt im Laufe der Zeit dazu. Alle Daten werden in ein Dashboard eingegeben.
Das Tool hilft Unternehmen dabei, das Ergebnis klinischer Studien vorherzusagen, wenn sie neue Medikamente entwickeln. Zum Beispiel sagte das Tool voraus, dass das Medikament von Biogen zur Behandlung von Alzheimer mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 bis 90 Prozent scheitern würde. Es hatte recht: Die Studie scheiterte tatsächlich. Der Marktwert von Biogen fiel um fast ein Drittel. Die Berücksichtigung der Ergebnisse des Tools kann Unternehmen dabei helfen, die mit gescheiterten Arzneimittelstudien verbundenen Risiken besser zu managen.
Die Nachfrage nach Apps für die Präzisionsmedizin wächst rasant. Dies lässt sich auf mehrere, sich überschneidende Trends im Gesundheitswesen zurückführen. Die weit verbreitete Verfügbarkeit elektronischer Patientenakten sowie genetischer und anderer gesundheitsbezogener Daten hat die Grundlage dafür geschaffen. Auf der technischen Seite machen Fortschritte in der künstlichen Intelligenz und Big Data-Analytik es möglich, solche Lösungen zu entwickeln. Nicht zuletzt sind effizientere Ansätze im Gesundheitswesen notwendig, um die steigenden Kosten einzuschränken und Grenzen in den herkömmlichen Methoden zu überwinden. Hier sind die wichtigsten Trends, die die Entwicklung vorantreiben:
Die Bevölkerung altert rapide. In Deutschland nimmt die Zahl der Erwachsenen im Alter von 65 Jahren und älter kontinuierlich zu. Lag der Anteil im Jahr 1970 noch bei 11,1 Prozent der Gesamtbevölkerung, sind es mittlerweile 19,5 Prozent. Schätzungen zufolge wird dieser Anteil weiter steigen. So wird für das Jahr 2030 ein Anteil von 22 Prozent erwartet. Mit dem Altern der Bevölkerung steigt auch die Anzahl altersbedingter Krankheiten. Dazu gehören Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Präzisionsmedizin hat das Potenzial, diese Krankheiten gezielter und effektiver zu behandeln, da sie die einzigartigen Merkmale jedes Patienten berücksichtigt. Sie kann Daten aus der Gen-Sequenzierung, aus der Fernüberwachung von Patienten (Remote Patient Monitoring, RPM) und klinischen Studien nutzen. Diese Daten ermöglichen es auch, Krankheiten vorherzusagen und zu diagnostizieren, die im Alter häufig auftreten, und sie in früheren Stadien zu erkennen.
Die Fernüberwachung von Patienten nimmt zu. Die Fernüberwachung von Patienten (RPM) hat in den letzten Jahren zugenommen und die Datengrundlage für Big Data-Analysen vergrößert. Mit verschiedenen Arten tragbarer Technologien können Ärzte die Symptome eines Patienten, Vitalfunktionen und die ordnungsgemäße Medikamenteneinnahme überwachen. Die künstliche Intelligenz verarbeitet und analysiert die von RPM-Systemen generierten Daten. Dadurch lassen sich Vorhersagen treffen und Mehrwert schaffen. Als Ergebnis können Ärzte den Patienten eine datenbasierte medizinische Versorgung bieten.
Genetische Tests werden breiter angewendet. Genetische Tests waren in der Vergangenheit teuer, sind aber in den letzten Jahren erschwinglicher geworden. Dies ist für die Präzisionsmedizin ein positiver Trend, da viele Krankheiten eine genetische Grundlage besitzen. Testergebnisse können genetische Faktoren identifizieren, die beispielsweise mit Gen-Mutationen assoziiert sind. Genetische Tests können Ärzten auch bei der Auswahl besserer Behandlungen und der richtigen Medikamentendosierung für Patienten helfen. Darüber hinaus ist die Untersuchung auf genetische Krankheiten entscheidend für die präventive Versorgung.
Künstliche Intelligenz (KI) boomt. Der Einsatz von KI breitet sich rasant im Gesundheitswesen aus. Immer mehr gesundheitsbezogene Daten werden digitalisiert und mithilfe von intelligenten Algorithmen ausgewertet. Mittlerweile unterstützt KI das Personal im Klinikalltag, sei es in der Radiologie oder in der Chirurgie. In der Präzisionsmedizin interpretiert sie Biomarker aus Patientenproben und ermittelt Risikofaktoren für bestimmte Erkrankungen. Dies kann den Ärzten dabei helfen, personalisierte Behandlungspläne zu erstellen. Aber auch Forscher profitieren von KI. Sie beschleunigt die Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe.
Die Nutzung von künstlicher Intelligenz und Big Data in der personalisierten Medizin transformiert die Gesundheitsbranche. Mit umfangreichen Daten und fortschrittlichen Algorithmen können Behandlungen auf die individuellen Bedürfnisse jedes Patienten zugeschnitten werden. Dieser Ansatz ersetzt die Einheitslösung und macht Therapien präziser und effektiver. Zudem eröffnet er Chancen für Tech-Unternehmen, einen innovativen Beitrag für das Gesundheitswesen zu leisten. Wenn Sie als Unternehmen diese Nische für sich optimal nutzen wollen, stehen wir Ihnen als zuverlässiger Partner gerne zur Seite.