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RPA im Gesundheitswesen: Lösung für Herausforderungen in der Pandemie

Geschrieben von Nadejda Alkhaldi | 18.02.2021 09:01:23

42 % der chronisch überlasteten Ärzte erleben irgendwann ein Burnout. Im Zuge der Corona-Pandemie stoßen viele medizinische Einrichtungen an ihre Grenzen und suchen nach Lösungen.

RPA (Robotic Process Automation, robotergesteuerte Prozessautomatisierung) kann im Gesundheitswesen sich wiederholende Routineaufgaben schnell und genau erledigen. So kann RPA zum Beispiel die Inventarisierung von medizinischem Material und die Weitergabe von Testergebnissen übernehmen. Welche Einspar- und Optimierungspotenziale dank RPA entstehen, lesen Sie in diesem Artikel.

RPA im Gesundheitswesen

RPA automatisiert Routineaufgaben mithilfe von Algorithmen. Ziel ist es, die menschliche Beteiligung zu reduzieren und die Produktivität zu steigern. Typischerweise ist bei RPA kein physischer Roboter beteiligt – es handelt sich um Software, die bestimmte Aktivitäten ausführt. Diese können so einfach sein wie das Senden einer automatischen Antwort-E-Mail oder komplizierter, wie die Analyse von Verwaltungsdaten.    

Laut McKinsey hat der Gesundheitssektor das Potenzial, etwa 36 % seiner Arbeitsabläufe zu automatisieren. Wenn es um Fachkräfte geht, die direkt mit Patienten arbeiten und deren Aufgaben Fachwissen erfordern, sind die Möglichkeiten zur Automatisierung geringer. Zum Beispiel können nur 13 % der Aufgaben von Dentalhygienikern automatisiert werden.  

RPA kann nicht nur Dienstleistern, sondern auch Kostenträgern im Gesundheitswesen zugutekommen. Laut der McKinsey-Studie würde die Automatisierung der Arbeitsabläufe in medizinischen Einrichtungen in Deutschland die Ausgaben im Gesundheitssystem um einige Milliarden reduzieren.

Wie beschleunigt die Pandemie die Einführung von RPA?

COVID-19 wirkt sich auf jede Branche der Welt aus, und laut Bain and Company beschleunigte das Virus die Automatisierungsinitiativen.

Im Gesundheitswesen sind die Auswirkungen des Coronavirus auf den täglichen Betrieb massiv. In einer aktuellen Umfrage der Weltgesundheitsorganisation berichtet fast die Hälfte der befragten Länder (49 %) über Beeinträchtigungen bei der Behandlung von Diabetes. 42 % der Befragten beobachteten Probleme bei der Krebsbehandlung.  31 % konnten bei kardiovaskulären Notfällen nicht optimal agieren. Allein in Großbritannien wurden 12 Millionen Arzttermine aufgrund der Pandemie abgesagt, was zu einem enormen Rückstau führte. Kein Wunder also, dass sich Gesundheitsdienstleister der Automatisierung zuwenden.

Einige Gesundheitseinrichtungen zögern

Automatisierte Systeme im Gesundheitswesen haben viele Vorteile – sie reduzieren den manuellen Arbeitsaufwand, erhöhen den Komfort der Patienten und die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Trotzdem haben es Kliniken mit der Automatisierung nicht eilig. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

  1. Die Kosten für Erstinvestition und Wartung: Automatisierung erfordert erhebliche finanzielle Mittel. Laut Deloitte kann ein Bot zwischen 5.000 und 15.000 US-Dollar kosten. Manager müssen kalkulieren, wann der Gewinn aus RPA die Erstinvestition amortisiert. Und selbst nachdem die Lösung installiert ist, können Anbieter noch Gebühren für die Wartung ihres Produkts und für Software-Updates verlangen.
  2. Das Risiko zu scheitern: Studien zufolge scheitern 30-50 % der RPA- Projekte. Die Ursache für das Scheitern kann technisch oder menschlich bedingt sein. Zum Beispiel könnten Manager bei der Investition in Software-Roboter die IT-Infrastruktur ihrer Klinik nicht berücksichtigen oder die falschen Aufgaben automatisieren. Der menschliche Faktor spielt eine weitere Rolle: Mitarbeiter machen möglicherweise nicht mit, wenn Manager Automatisierungsinitiativen nicht mit einem kulturellen Wandel im Unternehmen verbinden.  
  3. Die Angst vor Jobverlust: Gesundheitsdienstleister können sich weigern, mit RPA-Software zu arbeiten oder sogar versuchen, sie zu sabotieren, aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Denn selbst wenn RPA keine menschlichen kognitiven Funktionen nachbilden kann, kann sie viele Routineaufgaben übernehmen.  

Anwendungsbeispiele für RPA im Gesundheitswesen

Termine planen

Krankenhausmitarbeiter müssen Informationen über Patienten, ihre Beschwerden und die Verfügbarkeit des Arztes analysieren und den Termin in den Zeitplan einpassen. Einer von drei Patienten ist mit dem zugewiesenen Zeitfenster unzufrieden, und die überwiegende Mehrheit (85 %) ruft die Klinik an und fragt nach einem neuen Termin.

Bei der robotergesteuerten Prozessautomatisierung im Gesundheitswesen scannen Softwareroboter die Daten, die ein Patient bei seiner Terminanfrage angibt. Basierend auf dem Standort des Patienten, der Diagnose, den persönlichen Präferenzen und der zuständigen Krankenversicherung ordnen die Algorithmen die Anfrage dem richtigen Ansprechpartner zu. All diese Daten werden in das Backend-System des Krankenhauses eingespeist, so dass die Patienten die Details zu ihren Terminen einsehen und online einen neuen Termin vereinbaren können, ohne das Personal mit Anrufen zu belästigen. Dieser Ansatz führt zu weniger Fehlern, besserer Abstimmung und höherer Patientenzufriedenheit.

Swiftqueue senkt die Kosten für die Terminvergabe

Swiftqueue nutzt eine Automatisierungslösung für das Gesundheitswesen, um die Datensysteme von Krankenhäusern mit den Systemen zur Terminvereinbarung für Patienten zu verbinden. Diese Plattform wird in Großbritannien, den USA, Irland und Kanada eingesetzt. Vor kurzem haben Krankenhäuser in diesen Ländern begonnen, Swiftqueue für die Planung von Patiententerminen zu nutzen. Die Ergebnisse können sich bereits jetzt sehen lassen: Kliniken in Irland gaben vor Einführung der Swiftqueue zum Beispiel ca. 2,25 € pro Termin aus. Mit der neuen Plattform sanken die Kosten auf ein Fünftel.

Leistungsansprüche verarbeiten

Krankenkassen suchen nach Möglichkeiten, Kosten zu senken, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und gleichzeitig die Vorschriften einzuhalten. Die Bearbeitung von Leistungsansprüchen ist ein zeitaufwändiger Prozess. Neben dem Zeitverlust besteht das Risiko, bei der Dateneingabe Schreibfehler zu machen. Automatisierung in der Medizinbranche kann dieses Problem beheben. Was RPA-Bots tun können:

  • Ausnahmen in der Compliance erkennen
  • Daten genauer eingeben
  • Kommunikation mit Dritten verbessern
  • Kosten für die Bearbeitung von Leistungsansprüchen reduzieren 
  • außerhalb der Hauptarbeitszeiten arbeiten und somit Rückstände verhindern

RPA-Lösungen in Arizona

Der US-amerikanische Bundesstaat Arizona ist ein hervorragendes Beispiel für RPA-Lösungen in der Praxis. Er bietet eine Krankenversicherung über Care1st Health Plan Arizona an. Zu Beginn nutzte der Staat eine Kombination aus 15 Excel-Makros, um Anfragen zu bearbeiten und Patienten anzumelden. Diese Methode war langsam und unzuverlässig. Im Zuge der RPA-Einführung setzte Arizona Bots ein, die die Bearbeitung von Anfragen erheblich beschleunigten. Eine Aufgabe, die bis zu zehn Stunden in Anspruch nahm, wurde auf eine Stunde reduziert. Darüber hinaus kann diese Technologie 20 Anfragen pro Minute bearbeiten, was fast siebenmal schneller ist als mit der Verwendung von Makros.

Patientendaten datenschutzkonform extrahieren

Medizinische RPA-Tools können automatisch nach korrekten Patientendaten in der Datenbank des Krankenhauses suchen und sie an die richtige Person innerhalb der Organisation senden. Diese Art von Robotern benötigt die Anmeldedaten eines Mitarbeiters, um auf das Netzwerk zuzugreifen. 

Mitarbeiter des Gesundheitswesens können die RPA-Software darauf trainieren, Metadaten eines Dokuments zu extrahieren, inkl. Erstellungsdatum und ID-Nummern  elektronischer Patientenakten. Die Mitarbeiter erhalten diese Informationen, indem sie die Eigenschaften der relevanten Dateien und Ordner überprüfen. Nachdem sie diesen Vorgang mehrmals „beobachtet“ haben, können Bots Menschen imitieren. Einige Anbieter von RPA-Software nennen dies „Desktop-Automatisierung“.    

Außerdem sorgen die Software-Roboter dafür, dass alle Vorgänge nachvollziehbar sind und in strukturierten Protokollen dokumentiert werden. Durch diese Anordnung kann leicht auf externe Audits, selbst auf unerwartete, reagiert werden.

Lösungen zur Risikoanpassung von Health Fidelity

Ein weiteres erfolgreiches Beispiel für Robotik im Gesundheitswesen ist Health Fidelity. Das Unternehmen bietet Lösungen zur Risikoanpassung für Organisationen im Gesundheitswesen an. Die Risikoanpassung ist eine Methode, um die Kosten für das Angebot von Krankenversicherungen für Personen mit hohem Risiko, wie z. B. Personen mit chronischen Krankheiten, auszugleichen. Das Unternehmen kombiniert die RPA-Plattform UiPath mit der NLP-Technologie. Diese Lösung bietet den Kunden eine schnelle und sichere Möglichkeit, medizinische Aufzeichnungen aus elektronischen Patientenakten abzurufen. 

In der Vergangenheit vermieden Gesundheitsorganisationen die Verwendung von klinischen Datensätzen bei der Risikoanpassung, da die Kosten für die manuelle Extraktion bis zu 15 US-Dollar pro Datensatz betragen können. Die UiPAth-Roboter können 200 Dokumente pro Tag und Roboter extrahieren und die Kosten deutlich senken.

„Wir haben schnell festgestellt, dass UiPath und seine RPA-Technologie uns eine bessere Möglichkeit bieten, die klinischen Dokumente der Mitglieder auf eine HIPAA-konforme Art und Weise zu extrahieren, mit wenig bis gar keiner Beteiligung der technischen Ressourcen unserer Kunden.“

Joe Bonazza, Leiter der Datenintegration bei Health Fidelity

Zugangsdaten überprüfen

Die robotergestützte Automatisierung im Gesundheitswesen hat auch für die Personalabteilung etwas zu bieten. Aufgrund des Coronavirus fehlt es an medizinischem Personal. Als Reaktion darauf begannen einige Krankenhäuser, neue Mitarbeiter einzustellen und pensionierte Ärzte als Freiwillige zu akzeptieren. Dies überforderte die Personalabteilungen. Also ließen sie Software-Roboter einige der Aufgaben übernehmen, z. B: 

  • Überprüfung der Zeugnisse
  • Background-Checks
  • Onboarding-Prozesse: alle Mitarbeiter über den neuen Kollegen informieren, Freiwillige zu Arbeitsbereichen zuweisen usw.

Durch diese medizinische RPA-Lösung verringerte sich die durchschnittliche Zeit für die Bearbeitung der Daten neuer Freiwilliger von fünf Tagen auf nur vier Stunden.

Gehälter abrechnen

Die manuelle Gehaltsabrechnung hat viele Schwachpunkte. Sie lässt menschliche Fehler zu und beansprucht Personal- und Finanzmitarbeiter. Außerdem stellt sie eine Gefahr für den Datenschutz dar, da sie sensible Mitarbeiterinformationen offenlegen kann.

Divurgent automatisiert die Gehaltsabrechnung

Divurgent, ein im Gesundheitswesen tätiges Beratungsunternehmen, arbeitete mit Ärzten zusammen, die auf der Suche nach Automatisierungsmöglichkeiten in ihrem Gehaltsabrechnungssystem waren. Ein Mitarbeiter musste Daten aus verschiedenen Quellen sammeln und in Excel-Tabellen eingeben, um dann das Ergebnis zur endgültigen Genehmigung an den Manager zu senden. Nach Abschluss der Berechnungen schickte dieser HR-Mitarbeiter persönliche E-Mails an jeden Angestellten.

Divurgent entwickelte eine Plattform, die die Daten des Klinikpersonals sammelt, die Löhne berechnet und eine Lohnabrechnung im PDF-Format ausstellt. Diese Art der robotergesteuerten Prozessautomatisierung in der Gesundheitsbranche verkürzte die Gehaltsabrechnung von 72 Stunden auf nur 15 Minuten.

COVID-bedingten Verwaltungsaufwand reduzieren

Als die Pandemie ausbrach, war die Cleveland Clinic eines der Krankenhäuser, die zugelassene Drive-Through-Tests für COVID-19 anboten. Das Protokoll verlangte, dass alle Patienten, die zum Test kamen, in der Datenbank des Krankenhauses registriert wurden. Die Krankenhausverwaltung übernahm die Vorbereitung der Etiketten für die Testkits für jede Person. Und sie musste jeden neuen Besucher in der elektronischen Gesundheitsakte registrieren. Dieser manuelle Prozess verursachte Beschriftungsfehler und führte zu Wartezeiten von bis zu sechs Stunden.

Die Situation war anstrengend, bis die Cleveland Clinic beschloss, RPA einzuführen. Innerhalb von 48 Stunden setzte die Klinik einen Software-Roboter ein, der die Registrierung der Patientendaten und die Beschriftung der Etiketten übernahm. Menschen brauchten für diese Aufgaben rund drei Minuten. Der Roboter konnte sie in sechzehn Sekunden abschließen. Fehlerfrei. 

Das Mater Hospital in Dublin verfolgte einen ähnlichen Ansatz bei den COVID-Tests. Sie setzten bei der Verwaltung ebenfalls auf einen Software-Roboter.

„Angesichts der sich jetzt ausbreitenden Covid-19-Pandemie ist es von entscheidender Bedeutung, dass alle Mitarbeiter an der Front so viel Zeit wie möglich für die Patienten haben und dafür, sich mit diesem Ausbruch zu befassen, anstatt vor Computern zu sitzen.“

Jincy Jerry, Assistentin der Pflegedirektorin im Mater Hospital

Krankenhaus 4.0 in Deutschland

„Im Länder-Vergleich hinken deutsche Krankenhäuser bei der Digitalisierung hinterher. Das Potenzial für RPA ist hoch.“

Professor Schmitz-Winnenthal, Chefarzt am Klinikum Aschaffenburg-Alzenau

Hohen Administrationsaufwand können auch deutsche Krankenhäuser mithilfe von RPA reduzieren. Das beweist das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau, das größte Krankenhaus der Region Bayrischer Untermain. Durch Prozessautomatisierung wollte Professor Schmitz-Winnenthal Abläufe im Klinikalltag optimieren, das Personal entlasten und die Arbeit mit den Patienten verbessern. Ärzte und Pflegekräfte haben nun einen genauen Überblick über die Diagnosen der Patienten und darüber, wo sie sich aktuell auf der Krankenstation befinden. Mithilfe eines Software-Roboters kann das Klinikum die Stationsliste mit relevanten Patientendaten automatisch ausfüllen. Neben der Erstellung der Stationsliste automatisierte das Klinikum die monatliche Erstellung von Berichten. Algorithmen generieren aus einem sehr großen PDF-Dokument tagesaktuelle, abteilungsspezifische Reports. Für diese monotone Aufgabe benötigte ein HR-Mitarbeiter pro Monat drei volle Arbeitstage – automatisch wird diese Arbeit nun innerhalb von zehn Stunden erledigt.

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Erste Schritte

RPA ist nicht die einzige Antwort auf die Herausforderungen der Pandemie. Aber sie ist einen Versuch wert und viele Branchen sind sich dessen bewusst. Die Investitionen in die Automatisierung steigen, so eine Studie von Forrester Consulting. Die Online-Umfrage wurde 2020 unter 160 Entscheidungsträgern aus unterschiedlichen Geschäftsbereichen in Deutschland, Frankreich, Japan, Großbritannien und den USA durchgeführt. Ein Drittel der Befragten gab an, dass ihre Unternehmen in den letzten drei Monaten ihre Ausgaben für RPA erhöht haben. Weitere 48 % erklärten, dass sie im nächsten Jahr um 5 % mehr für diese Technologie investieren werden.

Sie planen RPA-Projekt? Dann lohnt es sich, zunächst folgende Fragen zu klären:

  • Wird Ihre IT-Infrastruktur mit der neuen Software kompatibel sein? Welche externen IT-Ressourcen werden Sie benötigen?
  • Wie wird sich das aktuelle RPA-Projekt auf Ihre Belegschaft auswirken?
  • Was sind Ihre kurz- und langfristigen Automatisierungsziele? 
  • Welche Aufgaben wollen Sie zuerst automatisieren?

„Versuchen Sie nicht, Ihren schwierigsten und kompliziertesten Prozess zuerst zu automatisieren. Ernten Sie niedrig hängende Früchte – sie haben viele sich wiederholende, manuelle Schritte, die beim Endbenutzer Sodbrennen verursachen.“

Nikki Ahlgren, Customer Success Director und Healthcare-Expertin bei UiPath

Und schließlich sollten Sie sicherstellen, dass Sie es nicht alleine angehen, sondern auf einen zuverlässigen RPA-Partner setzen können. Als Full-Stack-Unternehmen bietet Softeq alle Dienstleistungen für industrielle Automatisierung unter einem Dach.